Beim Boostern hat die Schweiz wichtige Zeit verspielt. Erst hinterfragte der Bund lange den Sinn der Drittimpfung. Dann sollte sie nur den Seniorinnen und Senioren nützen. Und als jedem klar war, wie wichtig Boostern ist, begnügte sich die Eidgenössische Impfkommission damit, erst mal bloss anzukündigen, man werde die Empfehlung dann einmal aussprechen.
Als die Empfehlung endlich da war, wollten viele Kantone mit der Drittimpfung für die breite Bevölkerung erst im neuen Jahr loslegen. Nur dank massivem Druck der Öffentlichkeit rangen sich die meisten durch, mit der Drittimpfung für Personen unter 65 Jahren zu starten. Den Booster-Turbo schalten die Kantone aber noch lange nicht.
Sechs-Monate-Regel
Während andere Länder längst Jüngere boostern, deren Zweitimpfung weniger als sechs Monate zurückliegt, sind bei uns viele Kantone noch immer damit beschäftigt, den Bewohnern der Alters- und Pflegeheime die Auffrischungsimpfung zu verpassen.
Und wer in Kantonen wie Bern oder Zürich ein SMS erhält, jetzt für die Impfung freigeschaltet zu sein, da seit der Zweitimpfung über ein halbes Jahr vergangen ist, findet gar keinen Impftermin. Oder aber die Stadtbernerin muss für die dritte Impfung nach Moutier fahren oder der Stadtzürcher nach Winterthur – Job hin oder her.
Nur andere Impfungen möglich
Wer Glück hat, wohnt in einer Stadt, in der ein Walk-in-Zentrum in Betrieb ist, wo man sich einfach spontan boostern lassen kann. Doch wo es ein solches nicht gibt, sind bis Ende Jahr auch in den Apotheken kaum mehr Termine für den Corona-Booster zu bekommen. Für andere Impfungen hats aber noch genug Termine.
Oder, wie die NZZ berichtete, die Kantone tun sich schwer damit, ihre Impfzentren wiederzueröffnen. Laut der Zeitung soll die Zürcher Gemeinde Meilen auf ihr Ansinnen, das Zentrum fürs Boostern erneut aufzumachen, aus Kostengründen einen abschlägigen Bescheid von Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (45) bekommen haben.
Mehr und mehr stellt sich die Frage, ob die Prioritäten überall richtig gesetzt werden, um auf die fünfte Welle zu reagieren.
Erst ein Gesuch
Glaubt man der Konferenz der Gesundheitsdirektoren (GDK), findet bei den Kantonen aber langsam ein Umdenken statt. Im Januar würden wieder Impfzentren eröffnen, heisst es. Es fehle allerdings an Personal.
Tatsächlich hat der Jura als erster Kanton bei der Armee um Unterstützung durch Soldaten nachgesucht, wie das Militär entsprechende Presseberichte bestätigt. Weitere Westschweizer Kantone, die laut verschiedener Medien ebenfalls dringend Leute brauchen, haben laut den zuständigen Bundesstellen bis gestern Nachmittag aber noch kein Gesuch gestellt.
Auch das Wallis nicht, das jedoch per Medienmitteilung bekannt gegeben hat, man bitte die Armee um Mithilfe. Denn der Kanton erhöht die Kapazitäten seiner Impfzentren in Brig, Sitten sowie Collombey und eröffnet ein neues Impfzentrum.
Amherd bremst
Damit der Bund auf Gesuche für eine Armeeunterstützung eingehen kann, muss die GDK bestätigen, dass die Kantone in der Covid-Krise nicht in der Lage sind, anderen Kantonen mit Personal auszuhelfen. «Dieser Prozess läuft derzeit», so GDK-Sprecher Tobias Bär.
Bis zur morgigen Bundesratssitzung soll die Erklärung vorliegen. Die Landesregierung könnte also grünes Licht für den Armee-Einsatz geben. Doch laut Blick-Recherchen ist dieser frühestens in einer Woche ein Thema in der Regierung. Laut mehreren Quellen ist Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) zurückhaltend. Dass die Walliserin hier bremst, dürfte in ihrem Kanton kaum gut ankommen.
Pflegen statt impfen
Ihr Umfeld verteidigt die Mitte-Bundesrätin: Sie wolle sichergehen, dass es die Soldaten beim Boostern tatsächlich brauche. Schliesslich könnten hier auch Medizinstudenten oder Tierärzte eingesetzt werden.
Und die Magistratin wolle sicher sein, dass die Armee optimal eingesetzt wäre. Da sich die Krise zuspitzt, könne es gut sein, dass es die Soldaten in den Spitälern statt zum Impfen brauche, um die Pflegefachkräfte zu entlasten.