Oberster Gesundheitsdirektor Engelberger blickt dem Corona-Winter entgegen
«Wir werden wieder vermehrt Masken tragen müssen»

Wenn die Temperaturen sinken, steigen die Corona-Fallzahlen. In den letzten beiden Wintern geriet das Schweizer Gesundheitswesen an seine Grenzen. Der oberste Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger glaubt aber, dass es diesmal besser wird.
Publiziert: 29.08.2022 um 09:14 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2022 um 10:00 Uhr
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GDK-Präsident Lukas Engelberger sieht dem Corona-Winter verhalten optimistisch entgegen.
Foto: STEFAN BOHRER
Interview: Daniel Ballmer

Mehr als einmal hat uns das Coronavirus überrascht. Im Hinblick auf den kommenden Winter aber sieht Lukas Engelberger (47) die Schweiz gut vorbereitet. Der Basler Regierungsrat und Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) ist zuversichtlich, «dass wir die Lage nochmals besser im Griff haben werden».

Blick: Die Corona-Sommerwelle scheint vorerst überstanden zu sein. Mit welchen Gefühlen blicken Sie dem Winter entgegen?
Lukas Engelberger: Ich bin froh, hatten wir ein paar Monate ohne im Alltag spürbare Massnahmen. Das bringt aber auch das Risiko mit sich, dass die Pandemie für viele schon weit weg ist. Dabei haben wir noch immer hohe Fallzahlen – zum Glück meist mit keinem schweren Verlauf. Die Spitäler spüren aber nach wie vor eine Zusatzbelastung. Und wir müssen davon ausgehen, dass mit der kälteren Jahreszeit die Fallzahlen wieder ansteigen.

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Befürchten Sie eine ähnlich starke Welle wie in den bisherigen Corona-Wintern?
Ich bin verhalten optimistisch. Die Fallzahlen dürften zwar nochmals deutlich steigen. Aber unsere Grundimmunität ist heute stärker: Die meisten von uns haben durch mehrere Impfungen oder auch Ansteckungen Abwehrkräfte aufgebaut. Das lässt eine gute Chance zu, dass wir keinen ganz so turbulenten Winter vor uns haben. Ich denke, dass wir die Lage nochmals besser im Griff haben werden – und so auch weniger Massnahmen ergreifen werden müssen.

Dann müssen wir nicht mit geschlossenen Schulen oder Restaurants rechnen?
Ich bin optimistisch, dass wir einen erneuten Teil-Lockdown mit Betriebsschliessungen oder Veranstaltungsverboten werden vermeiden können. Andererseits halte ich es für wahrscheinlich, dass wir wieder vermehrt Masken tragen müssen. Es wird nochmals ein gewisses Schutzniveau brauchen. Ich gehe aber davon aus, dass es beispielsweise kein Contact Tracing mehr geben wird und Quarantänen nur noch empfohlen, aber nicht angeordnet werden.

Bisher schoben Bund und Kantone die künftige Leitung in der Pandemiebekämpfung wie eine heisse Kartoffel hin und her. Lässt sich ein Flickenteppich überhaupt verhindern, sollten die Kantone verantwortlich sein?
Derzeit stehen die Kantone in den meisten Bereichen in der Verantwortung. Das akzeptieren wir. Wir können aber nicht garantieren, dass in den Kantonen einheitliche Massnahmen ergriffen werden. Wer das will, muss sich an den Bund wenden.

Der oberste Gesundheitspolitiker

Lukas Engelberger (47) ist seit 2014 Regierungsrat von Basel-Stadt und Vorsteher des Gesundheitsdepartements. Der Mitte-Politiker arbeitete früher als Rechtskonsulent beim Basler Pharma-Giganten Roche. Der Vater dreier Kinder ist seit 1. Juni 2020 Präsident der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK).

Lukas Engelberger ist seit Mitte 2020 oberster Gesundheitspolitiker im Land.
Stefan Bohrer

Lukas Engelberger (47) ist seit 2014 Regierungsrat von Basel-Stadt und Vorsteher des Gesundheitsdepartements. Der Mitte-Politiker arbeitete früher als Rechtskonsulent beim Basler Pharma-Giganten Roche. Der Vater dreier Kinder ist seit 1. Juni 2020 Präsident der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK).

Könnte es dann wieder zu solch skurrilen Situationen kommen, dass in einem Kanton die Restaurants geschlossen, während im Nachbarkanton die Schulen zu sind?
Die GDK wird bei einer grossflächigen Zuspitzung der Lage Empfehlungen für kantonale Massnahmen formulieren. Solange die Verantwortung bei den Kantonen liegt, können wir aber nicht ausschliessen, dass sie diese unterschiedlich wahrnehmen. Das kann begründet sein, wenn sich die Corona-Situation unterschiedlich gestaltet. In anderen Fällen ergibt es vielleicht keinen Sinn. Da kann es dann auch sinnvoll sein, wenn der Bund das Ruder wieder übernimmt.

Sind die Kantone auf eine drohende nächste Welle denn genügend vorbereitet? Können etwa die Impfzentren bei Bedarf rasch hochgefahren werden?
Nach meiner Einschätzung ist man bereit, etwa Test- und Impfangebote wieder massiv hochzufahren, wenn es die Situation verlangt. Das muss auch der Anspruch sein.

Bisher wird der zweite Booster erst Personen über 80 Jahren empfohlen – anders als in anderen Staaten. Haben wir uns damit nicht bereits einen Rückstand eingehandelt?
Wir stützen uns auf die Eidgenössische Kommission für Impffragen ab. Diese hat bisher einen guten Job gemacht. Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass die Schweiz massiv schlechtere Verläufe hatte wegen zu später Impfempfehlungen. Solange keine unmittelbare Dringlichkeit erkennbar ist, ist es ohnehin nicht einfach, die Bevölkerung zu einer weiteren Impfung zu motivieren. Wir müssen aber darauf vorbereitet sein, dass es plötzlich schnell gehen muss.

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