Notvorrat-Kampagne des Bundes ist ein Flop
60'000 Franken für einen Rohrkrepierer

Geht es nach dem Bund, sollte die Schweizer Bevölkerung endlich einen Notvorrat anlegen. Im Oktober 2024 lancierte er eine Kampagne. Doch bevor sie richtig zündete, verpuffte sie schon wieder.
Publiziert: 09.03.2025 um 09:33 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2025 um 08:42 Uhr
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Kluger Rat – Notvorrat!
Foto: STEFAN BOHRER

Auf einen Blick

  • Nur 50 Prozent der Schweizer haben einen Notvorrat angelegt
  • Eine Kampagne sollte die Bevölkerung dazu animieren
  • Der Bund entwickelte extra einen Notvorratsrechner und ein interaktives Lehrvideo
  • Doch beides wurde wenig genutzt, wie Zahlen zeigen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Robin BäniRedaktor

Das Wasser brodelt, die Spaghetti sind fast al dente – und dann: Stromausfall. Erst Minuten, dann Stunden. Am nächsten Morgen geht immer noch nichts. Der Kühlschrank mutiert zur Tropfsteinhöhle, der Herd bleibt kalt. Und jetzt?

«Kluger Rat, Notvorrat!» – das predigt der Bund seit Jahrzehnten. Wer vorbereitet ist, zückt den Gaskocher und kocht Notfall-Pasta. Zur Grundausstattung gehören auch Kerzen, Streichhölzer, Konserven und Dörrfrüchte. Niemand muss sich für den Weltuntergang rüsten, aber ein bis zwei Wochen ohne Supermarkt sollten drinliegen – so die offizielle Empfehlung.

Eine repräsentative Studie aus 2021 ergab jedoch: Nur 50 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben einen Vorrat angelegt. Die andere Hälfte würde in einer Notlage ziemlich alt aussehen. Und das, obwohl die Covid-Pandemie gezeigt hat, wie fragil Lieferketten sein können.

Ein Rechner, ein Flop

So geht das nicht, befand der Bund und startete im Oktober 2024 – mal wieder – eine Kampagne. Die Schweiz sollte endlich besser vorsorgen. Denn die Sicherheitslage in Europa war ja auch schon besser. Doch bevor die Kampagne richtig zündete, war sie schon wieder verpufft. Dies zeigen verwaltungsinterne Daten, die Blick vorliegen.

Herzstück der Aktion war ein eigens entwickelter Notvorratsrechner. Dieser ist online zugänglich und individuell anpassbar. Ob laktosefrei, glutenarm oder vegetarisch, der Rechner spuckt für jeden Haushalt die passende Liste aus. Klingt praktisch, doch die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Im Oktober wurde die Website des Rechners 10’000 Mal besucht. Im November schrumpfte die Zahl auf 400, im Dezember waren es noch 200 Zugriffe. Neuere Daten gibt es nicht, heisst es vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) auf Anfrage. Dies wegen einer Systemumstellung.

Weil vor allem junge Menschen selten Vorräte anlegen, hat der Bund auch ein interaktives Lehrvideo erstellt. Mit «modernstem Scrollytelling» sollte es die Zielgruppe ansprechen. Das Interesse blieb – auch hier – überschaubar: 1000 Klicks im Oktober, 100 im November und im Dezember noch knapp zwei pro Tag. Allerdings, so das BWL, zeigen die Zahlen nicht das ganze Bild. Denn «aus technischen Gründen» hätten nicht alle Klicks erfasst werden können. Mit anderen Worten: Selbst beim internen Analysetool gibt es Luft nach oben.

«Keine überhöhte Nachfrage» bei Grossverteilern

Das Video und der Rechner haben 60’000 Franken an Steuergeld gekostet. Fairerweise muss aber angefügt werden: Die Kampagne bestand aus mehr als nur diesen beiden Elementen. In der aktiven Phase war der Notvorrat «sehr sichtbar» in den Medien, was das BWL als Erfolg wertet. Zudem beteiligten sich Detailhändler, indem sie Plakate in den Supermärkten anbrachten und Social-Media-Werbung schalteten. Also doch kein Flop?

Wäre die Botschaft angekommen, hätte sich das in den Verkaufszahlen gezeigt. Doch Aldi, Lidl und Coop melden «keine überhöhte Nachfrage» bei Notvorrat-Produkten. Auch die Migros schreibt: «Die Kampagne führte nicht zu signifikanten Mehrumsätzen.»

Fazit: Trotz Rechner, Lehrvideo, Medienberichten und Werbekampagnen – der grosse Effekt blieb aus. Das BWL bilanziert: «Die erste Botschaft kam an.» Nun müsse man dranbleiben. Nur: Eine Kampagne wie 2024 ist dieses Jahr nicht geplant. Das BWL will mit «kleineren Aktionen sensibilisieren», zum Beispiel mit einem «kurzen Video». Ob das viel bringt? Man darf gespannt sein.

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