Die Justiz-Initiative will, dass Bundesrichterinnen und Bundesrichter durch ein Losverfahren bestimmt werden. Der Bundesrat ist dagegen – Justizministerin Karin Keller-Sutter (57) legte am Montag dar, warum. Mit der Initiative würden «Bundesrichterinnen und Bundesrichter nicht mehr durch ein demokratisches und transparentes Verfahren gewählt, sondern durch das Los, bei dem der Zufall entscheidet», sagte sie.
Heute wählt das Parlament die Bundesrichterinnen und Bundesrichter. Die Wahlen finden alle sechs Jahre statt. Das Parlament achtet dabei auf eine angemessene Vertretung der politischen Parteien, den sogenannten Parteienproporz. Vorbereitet werden die Wahlen von der parlamentarischen Gerichtskommission.
Richter vom Gängelband der Parteien befreien
Aus Sicht der Initiantinnen und Initianten beeinträchtigt die Wahl durch die Bundesversammlung die richterliche Unabhängigkeit von politischen Parteien. Ein Richter oder eine Richterin müsse einer Partei angehören und dieser jährlich eine Mandatssteuer bezahlen, damit er oder sie das Amt bekomme, lautet ihr Argument.
Künftig sollen die Bundesrichterinnen und Bundesrichter daher durch das Los bestimmt werden und sich keiner Wiederwahl mehr stellen müssen. Wer am Losverfahren teilnehmen darf, würde eine vom Bundesrat bestimmte unabhängige Fachkommission entscheiden und nicht wie heute die Gerichtskommission. Wie genau das Losverfahren aussehen könnte, lässt der Initiativtext offen. Die Amtssprachen müssten angemessen vertreten sein.
Reformen seien in Gang
«Das Wahlverfahren durch die Bundesversammlung hat sich bewährt», sagte Keller-Sutter. Das Losverfahren entspreche nicht der Schweizer Tradition. Es würde im Gegensatz zum heutigen System auch nicht gewährleisten, dass bei der Bestimmung von Bundesrichterinnen und -richtern Sprache, Geschlecht und regionale Herkunft angemessen berücksichtigt würden.
Parteilose Bundesrichterinnen oder -richter könnten nach den Worten von Keller-Sutter heute schon gewählt werden. Kein Gesetz verbiete dies. Die Gerichtskommission habe beschlossen, die bisherige Praxis zu überprüfen und allenfalls auch Parteilose als Bundesrichterinnen oder -richter zu nominieren.
Die Gerichtskommission könne beispielsweise auch ohne Gesetzesänderungen Korrekturen im Hinblick auf die Mandatssteuer vornehmen, so Keller-Sutter. Diese sei freiwillig und nicht gesetzlich geregelt. Sie sei eine Folge davon, dass es in der Schweiz keine staatlich finanzierten Parteien gebe.
Initiative hat einen schweren Stand
Der Bundesrat hat laut Keller-Sutter keinen Gegenvorschlag zur Initiative gemacht, da deren Kern, das Losverfahren, das bisherige System in Frage stelle.
Die Initiative, über die am 28. November abgestimmt wird, hat einen schweren Stand: Der Nationalrat empfiehlt sie mit 191 zu 1 Stimme bei 4 Enthaltungen, der Ständerat mit 44 zu 0 Stimmen zur Ablehnung. Laut den Parlamentsfraktionen hat sich das bestehende System bewährt. Die Wahl durch das Parlament verschaffe dem ganzen Verfahren demokratische Legitimität.
(SDA)