NDB-Direktor warnte vor überlastetem Personal
Politiker fordern mehr Ressourcen beim Nachrichtendienst

Der Schweizer Nachrichtendienst braucht laut seinem Direktor mindestens 150 neue Stellen, um den aktuellen Bedrohungen gerecht zu werden. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats unterstützt diese Forderung – trotz angespannter Finanzlage.
Publiziert: 16.10.2024 um 10:12 Uhr
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Aktualisiert: 16.10.2024 um 12:33 Uhr
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Der NDB ist am Anschlag, warnte Direktor Christian Dussey im August.
Foto: Keystone
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) ist überlastet. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und der Eskalation des Nahostkonflikts hat sich die sicherheitspolitische Lage dramatisch verschärft. NDB-Direktor Christian Dussey (58) schlug daher bereits im August Alarm.

Dussey forderte kurz darauf in einer Sitzung der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats zusätzliche 150 bis mehrere Hundert Stellen, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden.

150 neue Stellen – doch gäbe es nicht interne Lösungen?

Vergangenen Freitag entschied die Kommission darüber: Auch sie will, dass der NDB angesichts der geopolitischen Lage bis 2028 mindestens 150 neue Vollzeitstellen erhält. Sie wurden bei der Finanzkommission beantragt. So soll der NDB «angesichts der sich massiv verändernden Bedrohungen verstärkt werden», schreibt die Kommission in ihrer Medienmitteilung.

Eine beträchtliche Mehrheit der Kommission sehe die Notwendigkeit zusätzlicher Stellen, sagt die Kommissionspräsidentin Andrea Gmür-Schönenberger (60) zur «Neuen Zürcher Zeitung». Im Vergleich mit Nachbarländern wie beispielsweise Österreich sei der Schweizer Nachrichtendienst deutlich kleiner: «Dort gibt es 1200 Mitarbeitende, wir haben rund 400 bei etwa gleich vielen Einwohnern.»

Auch FDP-Ständerat Josef Dittli (67) unterstützte die Aufstockung, schreibt die Zeitung weiter. Angesichts der angespannten Finanzlage des Bundes schlägt er nun aber vor, dass sich NDB-Chef Dussey zunächst innerhalb des Verteidigungsdepartements (VBS) umschauen könnte: «Vielleicht kann man dort Stellen verschieben. Ausserdem wäre es der politisch richtige Dienstweg.»

Auch im Nationalrat bald Thema

Dem hält SVP-Ständerat Werner Salzmann (61) entgegen: Er geht davon aus, dass die zusätzlichen Stellen im Einvernehmen mit dem Departement abgesprochen worden seien. Und trotz der finanziellen Herausforderungen müsse die sicherheitspolitische Kommission reagieren, wenn die vorhandenen Stellen nicht ausreichten.

Auch die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates wird sich in ihrer nächsten Sitzung mit den personellen Ressourcen des NDB befassen. Laut Priska Seiler Graf (56), Präsidentin der Kommission und SP-Nationalrätin, hat der NDB-Direktor in den vergangenen Monaten «medienwirksam» auf das Problem aufmerksam gemacht.

Angesichts drohender Sparmassnahmen in fast allen Bereichen des Bundeshaushalts sei es jedoch unrealistisch, so viele neue Stellen über das ordentliche Budget zu finanzieren. «Ich kann mir nur vorstellen, dass diese budgetneutral, also innerhalb vom VBS selber, eingespart werden müssten», sagt Seiler Graf.

Amherd äussert sich nicht zum Personalmangel

Das VBS äusserte sich auf Anfrage der «NZZ» nicht zu den Kommissionssitzungen. Dass es bereits eine interne Suche gab, ist jedoch wahrscheinlich: Auch der stellvertretende Generalsekretär und Chef Ressourcen des VBS, Marc Siegenthaler (48), bestätigte Ende August in der sicherheitspolitischen Kommission die knappen Ressourcen des NDB. Direktor Dussey wird sich zudem auch mit Verteidigungsministerin Viola Amherd (62) ausgetauscht haben.

Doch warum äussert sich Amherd nicht persönlich zu den zusätzlich benötigten Stellen? Drei Gründe sind auffällig: Erstens wurden von 2019 bis 2023 bereits 100 zusätzliche Stellen beim NDB bewilligt. Zweitens will der Bundesrat beim NDB – anders als bei der Armee – bis 2028 rund eine Million Franken einsparen.

Drittens sorgt die von Amherd initiierte Transformation des NDB seit Monaten für negative Schlagzeilen. Die angestrebte Umstrukturierung führt zu unzufriedenem Personal und vielen Abgängen. Zudem gibt es auch Kritik aus den Kantonen: Der Nachrichtendienst sei mehr mit sich selbst beschäftigt als mit der Sicherheit des Landes.

Einige Sicherheitspolitiker pochen auf Abwarten

Deshalb fordern Politiker wie Mauro Tuena (52), SVP-Nationalrat und Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission, zuerst einmal eine Erfolgskontrolle. «Der NDB muss uns erst zeigen, dass diese Transformation funktioniert und wofür er die neuen Stellen genau einsetzen will», sagt Tuena.

Nächste Woche wird der NDB voraussichtlich seinen jährlichen Lagebericht «Sicherheit Schweiz 2024» präsentieren – deutlich später als normal. In den letzten Jahren wurde er jeweils im Juni veröffentlicht. 2023 betonte der NDB in seinem Bericht, dass es zentral sei, Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Massnahmen zu ergreifen. Ob der NDB dazu momentan noch in der Lage ist, wird sich zeigen, wenn Direktor Dussey nächste Woche vor die Medien tritt.

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