Sie holte mehr Stimmen als jeder SVPler
Das Phänomen Badran

Die SVP mag die stärkste Partei sein, doch schweizweit die meisten Stimmen machte am Sonntag eine Linke: SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Was macht die Zürcherin so populär?
Publiziert: 23.10.2023 um 15:33 Uhr
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Aktualisiert: 23.10.2023 um 17:36 Uhr
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Die mit dem erhobenen Zeigefinger: Politikerin Jacqueline Badran ist geliebt und gefürchtet zugleich.
Foto: keystone-sda.ch
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Jacqueline Badran (61) hat am Sonntag alle hinter sich gelassen. 150'529 Stimmen holte die Zürcher SP-Nationalrätin – so viele wie kein anderer Nationalratskandidat oder eine -kandidatin sonst in der Schweiz.

Dass eine Zürcherin Stimmenkönigin wird, war erwartbar. Gut jede und jeder sechste Stimmberechtigte wohnt schliesslich im Kanton Zürich. Doch eine SP-Politikerin? Das ist ein Novum. Albert Rösti (56), Roger Köppel (58), Natalie Rickli (46), Ueli Maurer (72) und Christoph Blocher (83): In den vergangenen 30 Jahren konnte stets die SVP den Stimmenrekord feiern. Nun aber überflügelte Badran den bestgewählten SVPler Gregor Rutz (51) um über 10'000 Stimmen.

«Ein Resultat in dieser Deutlichkeit, das hat mich schon umgehauen», sagt Jacqueline Badran am Tag danach. «Es berührt mich wirklich im Herzen.»

Das Badran-Paradox

Die fulminante Wiederwahl ist der vorläufige Höhepunkt in Badrans politischer Karriere. Die Zürcher IT-Unternehmerin hatte 2011 den Sprung ins Parlament geschafft und ist rasch zu einer der bekanntesten Figuren der SP geworden. Und einer der berüchtigtsten.

Es ist das Badran-Paradox: Während die Nationalrätin weit über die Parteigrenze hinaus grosse Popularität geniesst, ist die Biologin (Vertiefung Neurologie und Verhaltensforschung) im Bundeshaus bei vielen gefürchtet. Sie staucht nicht nur Journalisten öffentlich zusammen, sondern stellt auch Parteikolleginnen und -kollegen in den Senkel, wenn sie das Gefühl hat, das Gegenüber hat – im Gegensatz zu ihr – keine Ahnung vom Thema. Und das ist eigentlich fast immer der Fall.

«Sie müssen nicht so blöd grinsen»

In der Öffentlichkeit ist es eben gerade diese direkte, oft ruppige Art, die sie so beliebt macht. «Sie müssen nicht so blöd grinsen», blaffte sie in der SRF-«Arena» einmal einen Corona-Skeptiker an. Es kümmert sie nicht, was andere von ihr denken. Das macht sie authentisch.

Badran ist die Zürcher Politikerin, die die meisten Stimmen aus anderen Parteien erhielt. Selbst bei der SVP geniesst sie Sympathien, obwohl sie der Partei nicht nur einmal eine Abstimmungsniederlage bescherte. Die Freundschaft mit alt Bundesrat Ueli Maurer (72) zelebrierten die beiden im Nationalrat regelrecht (Maurer: «Wir lieben uns schon fast ein bisschen.»).

Mit der SVP verbindet Badran, dass beide sehr gut darin sind, Schuldige zu benennen. Während bei den Rechten die Ausländer Grund fast allen Übels sind, sind es bei ihr wahlweise die gierigen Immobilienkonzerne oder, allgemeiner, «das Kapital».

Die Nationalrätin wehrt sich gegen den SVP-Vergleich. Sie wolle den Leuten im Gegensatz sogar klarmachen, dass es so simple Lösungen, wie sie manche präsentierten, nicht gebe. Das Komplexe auf einen knackigen Satz einzudampfen, sei teilweise jahrelange Arbeit, sagt sie. Nur kommt die SP-Politikerin dann meistens doch immer zu einem ähnlichen Schluss.

Zu Polit-Pause gezwungen

Es sind nicht immer nur die anderen, die Badrans Art Nerven kostet. 2022 musste die Zürcherin eine mehrmonatige Auszeit nehmen, weil sie an den Anschlag gekommen war. Der Hausarzt habe ihr den Tarif durchgeben müssen, erzählte sie.

«Vermisst irgendjemand eigentlich Jacqueline Badran?», hatte SVP-Nationalrat Andreas Glarner (61) während ihrer Abwesenheit auf Twitter gefragt. Die 150'000 Zürcher Stimmen von diesem Sonntag sind eine deutliche Antwort.

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