Jetzt wird der Wahlkampf dreckig! In der Fachzeitschrift «Schweizer Bauer» ruft ein anonymes Komitee polemisch zur Abwahl des Berner Bauern und Grünen-Nationalrats Kilian Baumann (42) auf.
Dieser bringe den Bauernfamilien «nur Sorgen und sonst nichts», heisst es da. An welchen Entscheiden oder Positionen sich das gänzlich unbekannte Komitee mit Name «politische Vernunft» genau stört, wird nicht benannt.
So wünscht sich das Komitee lediglich, dass sich Baumann auf sein «Bauernleben in Suberg konzentrieren kann, ohne Landwirtschaft in jeder Session zu bremsen».
«Baumann aus dem Rennen werfen»
«Auf jede bürgerlich-bäuerliche Liste zweimal den Namen Badertscher zu schreiben, könnte dazu beitragen, Baumann aus dem Rennen zu werfen», heisst es im Inserat. Man solle als Bürgerliche also Baumanns grüne Kollegin Christine Badertscher (41) wählen, heisst es im Inserat, welches optisch daherkommt wie ein herkömmlicher Artikel.
Weil die Grünen einen Sitzverlust in Bern erleiden könnten, würde Baumann so seine Wiederwahl verpassen, so die Überlegungen hinter der Empfehlung.
Wer steckt dahinter?
«Ich habe keine Ahnung, wer hinter dem Inserat und dem Komitee steckt», sagt Baumann zu Blick. Er vermutet «rechte Kreise», so der Bio-Bauer. «Dass jemand so viel Geld ausgibt, um mir zu schaden, überrascht mich.»
Die Aktion zeige ihm gleichzeitig, dass er etwas bewirkt habe mit seiner Politik für eine nachhaltige Landwirtschaft. Und er sieht auch gleich etwas Positives im Inserat: «Unser Ziel ist das Halten der vier grünen Sitze im Kanton Bern. Ist doch toll, wenn jetzt auch Bürgerliche Christine Badertscher wählen.»
Der «Schweizer Bauer» teilt Blick nicht mit, wer hinter der Kampagne steckt. Man habe die bezahlte Wahlwerbung so entgegengenommen und als bezahlte Werbung deklariert. «Grundsätzlich steht es allen offen, sich selbst oder andere für die Wahlen zu empfehlen», so Verlagsleiter und Geschäftsführer Simon Langenegger.
Ritter googelte vergeblich
Der Präsident des Schweizer Bauernverbands und Mitte-Nationalrat, Markus Ritter (56), hat das besagte Inserat bei seiner morgendlichen Zeitungslektüre ebenfalls gesehen. Wie Ritter zu Blick sagt, weiss auch er nicht, wer dahintersteckt. Er habe im Internet nach dem Absender gesucht, und nichts dazu gefunden, erzählt er.
Es sei nicht an ihm, zu beurteilen, ob Baumann den Bauern «nur Sorgen und sonst nichts» bringe, wie es im Inserat heisst. «Das Stimmvolk entscheidet, wer im Parlament sitzt», so Ritter.
Allerdings hätten die Abstimmungskämpfe in den letzten vier Jahren wie etwa die Massentierhaltungs- oder die Pestizid-Initiative «mehr Spuren hinterlassen, als man auf den ersten Blick vielleicht denkt». Das nage an den Leuten, so Ritter.
Funiciello statt Badertscher
Derzeit geistern in den sozialen Medien auch anders lautende Aufrufe unter Anhängern der Grünen herum. Diese wiederum empfehlen, Badertscher solle man auf der Liste streichen. Sie sei zu wenig links. Stattdessen solle man besser SP-Kandidatin Tamara Funiciello (33) panaschieren.
Badertscher fiel damit auf, dass sie die Trinkwasser-Initiative ablehnte. Ihr Parteikollege Baumann kämpfte engagiert dafür.
Streit auch um SP-Empfehlung
Die Grünen sind allerdings nicht die Einzigen, die gerade Zwist um Wahlempfehlungen haben. Auch bei der Berner SP ist Feuer im Dach. Die SP-Migrant:innen Kanton Bern, eine Untersektion der SP Bern, rief gemäss «Tages-Anzeiger» dazu auf, Kandidierende mit Migrationshintergrund doppelt aufzuschreiben. Dafür solle man die Kandidatinnen ohne Migrationshintergrund Karin Fisli, Maurane Riesen, Andrea Rüfenacht und Manuela Kocher streichen.
Diese waren davon alles andere als begeistert – Grossrätin Riesen bezeichnete die Aktion als «sehr unschön und unsolidarisch».
Eine Studie zu den Wahlen im Jahr 2015 konnte aufzeigen, dass Kandidatinnen und Kandidaten mit ausländisch klingenden Namen benachteiligt werden. Einerseits werden sie häufiger von der Liste gestrichen als Kandidierende mit schweizerisch klingenden Nachnamen und andererseits werden typische Schweizer Namen überdurchschnittlich häufig kumuliert und panaschiert.
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Der Vorstand der SP-Migrant:innen Kanton Bern krebste nach der Kritik an der Streichaktion bereits zurück. Er erklärte in einer Mitteilung, es sei ihm bloss darum gegangen, Menschen mit Migrationshintergrund zum Wählen zu animieren. Bei den betroffenen Frauen habe man sich entschuldigt.
Mitte-Frauen-Chefin rief nach Streichung
Einen Aufruf zum Streichorchester gab es aber auch im politischen Zentrum. Mitte-Frauen-Chefin Christina Bachmann-Roth (39), die mit dem Slogan «bald kommen meine Tage» aufgefallen war, riet laut Tamedia-Zeitungen kürzlich: «Am besten, du streichst alle vor mir.» Auch sie entschuldigte sich.