Mindestens ein Mitglied des Schweizer Parlaments ist am Donnerstag auf dem Bundesplatz diskriminiert worden: FDP-Nationalrat Damian Cottier (46, NE). Rund zwanzig seiner Kollegen – sowie die Bundesräte Guy Parmelin (60, SVP) und Ignazio Cassis – haben auf Einladung von Blutspende Schweiz vor den Medien Blut gespendet.
Wie «Arcinfo» berichtet, musste Cottier ablehnen. Der Grund: Cottier ist schwul. Und als Mann in einer Beziehung darf er kein Blut spenden. Wie bei allen Männern, die Sex mit Männern haben, ausser sie sind mindestens 12 Monate lang – auch innerhalb ihrer Partnerschaft – abstinent.
Im März forderte der Politiker den Bundesrat auf, «diese Diskriminierung zu beseitigen». Dies nach dem Vorbild von Grossbritannien, wo nun jedem, der sich seit mindestens drei Monaten in einer stabilen und exklusiven Beziehung befindet, die Blutspende erlaubt ist. Die Schweizer Landesregierung reagierte diese Woche: Sie «spricht sich für eine erneute Überprüfung der Kriterien auch in der Schweiz aus», damit Homosexuelle nicht mehr ausgeschlossen werden.
Cottier, der auch im Vorstand von Pinkcross, dem Dachverband der schwulen und bisexuellen Männer in der Schweiz sitzt, erzählt von seinem Kampf im Schweizer Parlament.
Als schwuler Mann sind Sie am Donnerstag auf dem Bundesplatz in Bern tatsächlich diskriminiert worden. Anders als Ihre heterosexuellen Parlamentskollegen durften Sie kein Blut spenden. Wie haben Sie sich gefühlt?
Damien Cottier: Ich persönlich habe mich nicht diskriminiert gefühlt, aber ich kann verstehen, warum sich Leute so fühlen. Historisch gesehen gab es gute gesundheitliche Gründe, Männer, die Sex mit Männern haben, anders zu behandeln. Doch inzwischen zeigt Wissenschaft, dass es auf das individuelle Verhalten ankommt, nicht auf die Intimität: Ein heterosexueller Mann, der nicht in einer stabilen Beziehung ist, hat sicherlich ein grösseres Risiko als ein schwuler Mann in einer Beziehung.
Ist es nicht völlig absurd, dass man 12 Monate lang auf Sex verzichten muss, wenn man homosexuell ist und Blut spenden möchte?
Ja, es ist sehr übertrieben! Vor allem, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel HIV schon nach sechs Wochen im Blut nachgewiesen werden kann. Die Vorsichtsmassnahmen von früher schaffen heute unnötige Diskriminierung. Sie müssen beseitigt werden.
Abgesehen von der Ehe für alle, die am 26. September zur Abstimmung kommt: Welche anderen Kämpfe müssen Sie noch führen, um all die Diskriminierungen zu überwinden, denen LGBTQIA+ Menschen ausgesetzt sind?
Zugang zur Arbeit, zum Beispiel! Das Bundesgericht entschied kürzlich, dass das Gleichstellungsgesetz nicht für einen schwulen Mann gilt, der sich bei der Beschäftigung auf dieser Grundlage diskriminiert fühlte. Ausserdem wird erwartet, dass sich das Parlament nächste Woche mit einem Antrag zum Verbot von Konversionstherapien befasst. Das sind pseudowissenschaftliche Therapien, die darauf abzielen, junge Homosexuelle zur Heterosexualität zu «bekehren». Das Risiko besteht, dass der Vorstoss abgeschrieben wird, weil er schon vor zwei Jahren eingereicht wurde. Das wird passieren, wenn wir das nicht noch in dieser Session behandeln. Es muss daher möglicherweise wieder eingeführt werden, um diese inakzeptable Praxis zu verbieten, wie es Deutschland gerade getan hat.
Wie ist der Kampf für die Rechte von LGBTQIA+ Menschen im Parlament organisiert?
Am Donnerstagmorgen haben wir die erste LGBTQIA+-Fraktion gegründet, deren Ko-Vorsitzende ich zusammen mit meiner grünen Kollegin Lisa Mazzone sein werde. Diese Gruppe wird für alle Parlamentarier offen sein und somit auch Menschen einschliessen, die nicht Teil der LGBTQIA+ Community sind. Wir würden gerne Co-Vorsitzende aus allen Parteien haben. Unser Ziel? Unsere Interventionen in den Bundeskammern zu koordinieren und Kräfte zu bündeln. Wir werden die Gründung dieser neuen parlamentarischen Gruppe in ein paar Tagen formalisieren.