Nationalräte reisen trotz Bombendrohung auf die Insel
«Wir wollen mehr lernen über das Erfolgsmodell Taiwan»

Eine Bombendrohung hielt fünf Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht davon ab, nach Taiwan zu reisen. SP-Nationalrat Fabian Molina verteidigt den umstrittenen Besuch.
Publiziert: 06.02.2023 um 14:06 Uhr
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Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen begrüsst Nationalrätin Léonore Porchet.
Foto: keystone-sda.ch
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Der Besuch hat schon Monate, bevor die Politiker in den Flieger stiegen, für Kontroversen gesorgt: Am Sonntag sind fünf Nationalrätinnen und Nationalräte nach Taiwan gereist.

Gleich zu Beginn des fünftägigen Arbeitsbesuchs trafen die SP-Nationalräte Fabian Molina (32) und Mustafa Atici (53), ihre Grünen-Kollegen Léonore Porchet (33) und Nicolas Walder (56) sowie SVP-Nationalrat Yves Nidegger (65) in der Hauptstadt Taipeh Präsidentin Tsai Ing-wen (66). Auch Besuche eines Innovationsparks und einer Firma, die an selbstfahrenden Autos tüftelt, standen auf dem Programm. Im Verlauf der Woche will die Gruppe zudem einen Abstecher auf die Kinmen-Inseln machen, die direkt vor dem chinesischen Festland liegen.

Bombendrohung wegen Besuch

Es ist das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass Schweizer Parlamentarier nach Taiwan reisen. Für zahlreiche Mitglieder der Freundschaftsgruppe Schweiz-Taiwan, die die Reise organisierte, war die Reise angesichts der aktuellen Spannungen zwischen China und Taiwan zu heiss. Am Wochenende war bekannt geworden, dass es wegen des Besuchs sogar zu einer Bombendrohung in Taiwan kam.

GLP-Präsident Jürg Grossen (53) sagte gegenüber SRF, er halte den Besuch derzeit für keine gute Idee. Man müsse nicht um die halbe Welt reisen, um sich solidarisch zu zeigen. Auch SVP-Präsident Marco Chiesa (48), Co-Präsident der Gruppe, blieb daheim – nachdem er von seiner Partei zurückgepfiffen worden war. SP-Aussenpolitiker Fabian Molina hingegen sieht kein Problem im Besuch. Im Interview verteidigt er die umstrittene Reise.

Herr Molina, Ihre Reise nach Taiwan wurde von einer Bombendrohung überschattet. Stand zur Diskussion, sie deswegen im letzten Moment abzublasen?
Fabian Molina:
Wir haben die Drohung zur Kenntnis genommen. Sie war aber kein Grund, die Reise infrage zustellen. Wir stehen in Kontakt mit dem Aussendepartement und den Behörden hier vor Ort. Gemäss ihrer Einschätzung besteht keine Gefahr. Wir haben vollstes Vertrauen in die taiwanesischen Sicherheitskräfte und fühlen uns hier sehr willkommen und sicher.

Ihr erster Eindruck vor Ort?
Der Empfang war sehr herzlich. Unsere Gesprächspartner freuen sich über den Austausch, die Gespräche sind sehr locker und informell, man kann sehr offen über verschiedenste Themen sprechen. Man merkt, dass Taiwan eine Demokratie ist, die lebt.

Der Besuch war schon lange geplant. Warum ist es aus Ihrer Sicht so wichtig, dass Schweizer Politiker nach Taiwan reisen?
Spätestens seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs ist allen bewusst geworden, wie dünn der Faden ist, an dem der Frieden hängt. Und wie immens die Auswirkungen eines Krieges auf die ganze Welt sein können. Käme es zu einem Krieg zwischen China und Taiwan, wären die Folgen ähnlich. Wir müssen deshalb aus dem Ukraine-Krieg Lehren ziehen: Es ist wichtig, sich rechtzeitig für Dialog, Frieden und eine regelbasierte Weltordnung einzusetzen. Das bedeutet, dass Demokratien sich gegenseitig unterstützen sollen und man versuchen muss, die Kooperation zu stärken.

Die Taiwan-Reise ist umstritten. Besteht nicht die Gefahr, dass man Taiwan damit einen Bärendienst erweist?
Die taiwanesischen Behörden wissen am besten, was im Moment angemessen ist – und sie haben uns zu dieser Reise eingeladen. Uns ist es wichtig, den Dialog mit ihnen zu pflegen und klarzumachen, dass nur eine friedliche Lösung des Konflikts eine Zukunft hat. Alles andere wäre inakzeptabel.

Was erhoffen Sie sich sonst noch von der Reise?
Taiwan ist heute schon einer der wichtigsten Handelspartner der Schweiz in Asien. Der wirtschaftliche Austausch funktioniert – aber es gibt noch Potenzial. Insbesondere in Sachen Technologie und Innovation ist Taiwan weltweit führend.

Kann die Schweiz also etwas von Taiwan lernen?
Die Schweiz und Taiwan haben sehr viel gemeinsam – nicht nur die hohen Berge. Beides sind Länder, die angewiesen sind auf Fachkräfte aus dem Ausland, die keine Rohstoffe haben und deshalb anderweitig Wertschöpfung generieren müssen. Von daher ist der Austausch für die Schweiz sicher wertvoll. Wir wollen mehr lernen über das Erfolgsmodell Taiwan.

Sie haben unter anderem die Präsidentin Taiwans getroffen. Welche Wünsche oder Forderungen hat Taiwan an die Schweiz?
Es verstehen alle sehr gut, dass die Schweiz als neutrales Land eine zurückhaltende Aussenpolitik fährt – und auch enge Beziehungen zu China hat. Der Wunsch besteht aber, die Zusammenarbeit – dort, wo es möglich ist – auszubauen. Zum Beispiel in den Bereichen Spitzentechnologie, Forschung und Bildung. Das liegt im Interesse beider Länder.

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