Die SP hat die Nase voll. Fraktionschef Roger Nordmann (48, VD) kommt in der Wandelhalle kaum mehr aus dem Gestikulieren heraus. «Es reicht mit diesem SVP-Zirkus», ruft er aus.
Stein des Anstosses oder besser Ziel der Kritik: SVP-Bundesrat Ueli Maurer (70). Dieser tanzt gerne aus der Reihe, und ist vor allem in der Corona-Krise deswegen mehrfach aufgefallen. Zuletzt vor einigen Wochen an einem SVP-Anlass: Er zog sich nicht nur ein Leibchen der umstrittenen Freiheitstrychler über, die an kaum einer massnahmenkritischen Demo fehlen, sondern er griff auch zum verbalen Zweihänder. Die Corona-Politik des Bundesrates habe versagt, so Maurer, und verharmloste die Pandemie.
Parmelin kommentierte nicht
Insbesondere für die SP ist das ein Verstoss gegen das Kollegialitätsprinzip, müsste Maurer die Bundesratsentscheide doch mittragen. Doch in der montäglichen Fragestunde im Parlament bissen die Sozialdemokraten bei SVP-Bundespräsident Guy Parmelin (61) auf Granit.
Der Westschweizer liess das Parlament auflaufen. «Kein Kommentar», so im Wesentlichen die Antwort auf sämtlichen Druck der SP-Nationalräte. Im Namen des Gesamtbundesrats hielt Parmelin fest, dass die Beratungen des Bundesrats geheim seien, dass der Bundesrat Äusserungen von Regierungsmitgliedern nie kommentiere und dass er deswegen auch jetzt nichts dazu sage.
Debatte noch nicht zu Ende
Aus Sicht von Nordmann hätte Parmelin bei dieser Gelegenheit zumindest noch einmal zum Impfen aufrufen müssen. Als Landesvater wäre das eigentlich Parmelins Aufgabe und nicht, ein Bundesratmitglied zu decken, das die Pandemiebewältigung der Landesregierung hintertreibt.
Der SP-Fraktionschef lässt aber nicht locker. Er bringt das Thema hinter den Kulissen erneut aufs Tapet: An den traditionellen von-Wattenwyl-Gesprächen, bei denen sich Partei- und Fraktionsspitzen viermal jährlich mit Mitgliedern der Landesregierung treffen – jeweils hinter verschlossenen Türen. Die Gespräche im ehrwürdigen von-Wattenwyl-Haus in der Berner Altstadt sind traditionell als informeller Austausch vorgesehen. Die nächsten an der Junkerngasse sind für den 12. November geplant. Da soll sich der Bundespräsident vor den Augen anderer Bundesratsmitglieder und der Spitzenparlamentarier, aber ohne Kameras und Mikrofone, erklären.
Vorbild Dänemark
Es gehe aber um mehr als eine Chropfleerete, also nicht bloss darum, der eigenen Wut Luft zu machen, unterstreicht Nordmann. «Dänemark hat es geschafft, mit konsequenter Kommunikation der Leader aller politischer Lager eine Impfquote von 77 Prozent zu erreichen – und damit die Massnahmen aufzuheben», sagt er. Das sei auch in der Schweiz möglich. «In einer historischen Krise muss der Bundesrat an einem Strick ziehen», findet der SP-Nationalrat. «Sonst verlängert es die Pandemie.»
Maurer untergrabe mit seinen Auftritten die Schweizer Regierung. «Der Gesamtbundesrat muss sich nun zusammenreissen.»
Dazu gehört auch Ueli Maurer. Auch, wenn er gerne einmal anders agiert.