Im Kuhstall holte Ueli Maurer (70) zum verbalen Rundumschlag aus. Das, was die Schweiz in den vergangenen anderthalb Jahren durchgemacht hat, sei «eine Führungskrise und keine Corona-Krise», polterte der Bundesrat – zu seiner Rechten die SVP-Gemeinde auf Festbänken, zu seiner Linken die grasfressenden Vierbeiner.
Drei SVP-Sektionen hatten Maurer zu ihrem jährlichen «Gipfeltreffen» auf den Bauernhof in Wald ZH geladen. Auch mit dabei: die «Freiheitstrychler», die mit ihren Glocken sonst an Corona-Demos für Stimmung sorgen. Der Finanzminister liess sich ablichten, wie er im Shirt der Trychler posiert.
«Bundesrat hat versagt»
Es war nicht die einzige Provokation. In seiner Rede teilte Maurer gegen seine Parteikollegin, die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44), aus. «Im Kanton Zürich haben sie auch das Gefühl, sie seien vom Herrgott gewählt», sagte er.
Auch das Kollegialitätsprinzip liess Maurer offenbar am Hofeingang zurück. In seiner Rede griff er seine Bundesratskollegen frontal an: «Im gesundheitspolitischen Bereich haben Bundesrat und Behörden meiner Meinung nach versagt.» Es sei etwa unverständlich, dass die Anzahl Intensivbetten heute tiefer sei als noch zu Beginn der Pandemie.
Maurer stellt Krise infrage
Maurer rief die Menschen vor Ort dazu auf, ein «Gegengewicht» zur «gefährlichen Machtkonzentration» in Bern zu bilden. Der Bundesrat habe Freude bekommen an der Macht.
Etwas später stellte der Finanzminister, der seit knapp 13 Jahren in der Landesregierung sitzt, gar die Corona-Krise an sich infrage. Man könne sich fragen, ob es sich überhaupt um eine Krise handle und wie gross diese sei, sagte er.
«Maurer spaltet aktiv das Land»
Bei den anderen Parteien kommt Maurers Rundumschlag schlecht an. Grünen-Präsident Balthasar Glättli (49) sagt: «Ueli Maurer spaltet aktiv das Land, statt mitzuhelfen, die Gräben zuzuschütten.»
Es gehöre zwar zum Schweizer Politsystem, dass Bundesratsparteien gleichzeitig auch Oppositionsparteien seien. «Aber was man nicht kann, ist Bundesrat sein und gleichzeitig den Kollegen so aktiv öffentlich in den Rücken fallen.»
Auch SP-Fraktionschef Roger Nordmann (48) sagt, Maurers Auftritt sei seines Amtes nicht würdig: «Sein Verhalten ist ein Hohn für all die Leute, die Menschen pflegen oder Angehörige verloren haben.»
Ueli Maurer schweigt
Deutliche Worte kommen auch aus der sonst diplomatischen Mitte. «Diesen Massnahmenkritikern noch mehr Auftrieb geben?», fragt Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger (57) auf Twitter. «Bei allem Respekt, Herr Bundesrat Maurer. Das ist daneben.»
Ueli Maurer scheint diese Kritik nicht zu stören. Er wollte sich auch auf mehrmalige Nachfrage von Blick nicht zu seinem Auftritt äussern. (lha/til)