Wer in der Schweiz geboren wird, erhält – anders als etwa in den USA oder in Kanada – nicht automatisch den Schweizer Pass. Das soll auch so bleiben, entschied der Ständerat am Dienstag. Mit 29 zu 13 Stimmen lehnte die kleine Kammer einen Vorstoss von SP-Politiker Paul Rechsteiner (69) ab, der das sogenannte «Ius soli»-Prinzip einführen wollte.
Rechsteiner argumentierte vergeblich, dass rund ein Viertel der Bevölkerung keinen Schweizer Pass besitze und dementsprechend weder wählen noch abstimmen könne. Zudem kritisierte er, dass sich manche schon nur deshalb nicht einbürgern lassen könnten, weil sie in der Vergangenheit den Wohnort gewechselt oder ihre Eltern Sozialhilfe bezogen hätten. «Die hohen Hürden führen dazu, dass viele nie eine reale Chance auf Einbürgerung hatten, auch wenn sie in der Schweiz geboren sind und immer hier gelebt haben», sagte Rechsteiner.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter (57) hingegen warnte, dass die Schweiz durch die Einführung des Geburtsortsprinzips die Zuwanderung und vor allem die Einbürgerung nicht mehr selbst steuern könnte. Zudem wies sie darauf hin, dass durch den Systemwechsel etwa auch Kinder von Touristen, die in der Schweiz zur Welt kommen, automatisch das Schweizer Bürgerrecht erhielten. Dadurch könnten auch die Eltern in der Schweiz bleiben, sagte sie.
Anliegen kommt wohl vors Volk
Am Ende folgte der Ständerat der FDP-Bundesrätin deutlich. Vom Tisch ist das Anliegen deshalb aber nicht. Denn direkt im Anschluss an die Debatte kündigte der Verein «Aktion Vierviertel» eine Initiative an, die das Schweizer Bürgerrecht ab Geburt einführen will. Auch Einbürgerungen von Jugendlichen und Erwachsenen, die nicht hier geboren wurden, sollen vereinfacht werden. Der Co-Präsident des Vereins, Arber Bullakaj (35) sagt: «Die Bevölkerung öffnet sich, wird laufend vielfältiger und denkt in manchen Themen anders als das Parlament. Deshalb ist es Zeit für die Initiative.»
Wie es der Name des Vereins «Aktion Vierviertel» vermuten lässt, engagieren sich seine Mitglieder dafür, dass dereinst Vierviertel der Bevölkerung, also alle in der Schweiz lebenden Menschen, Aussicht haben auf den roten Pass und entsprechend mitbestimmen können. Bei der Initiative werde man aber im Gegensatz zur Vision des Vereins thematische Abstriche machen müssen, sagt Bullakaj.
Im Moment arbeiten er und seine Kolleginnen und Kollegen am Initiativtext. Offiziell lancieren wollen sie die Initiative im Herbst 2022, im Frühjahr 2023 soll die Unterschriftensammlung beginnen.
Ständerat prüft erleichterte Einbürgerung von Secondos
Zumindest einen kleinen Erfolg konnten sie bereits am Dienstag verbuchen. Während die Ständeräte Rechsteiners Vorstoss ablehnten, überwiesen sie einen Vorstoss von Grünen-Ständerätin Lisa Mazzone (33), der die erleichterte Einbürgerung der zweiten Generation fordert, zur Prüfung an die Staatspolitische Kommission. 2017 stimmte die Bevölkerung der erleichterten Einbürgerung der dritten Generation zu.
FDP-Ständerat Andrea Caroni (41), der sich für die Prüfung starkgemacht hatte, sagte, er könne Lisa Mazzone noch nicht versprechen, dass er dem Vorschlag inhaltlich zustimmen werde, aber er anerkenne, «dass hier eine gewichtige staatspolitische Frage aufgeworfen wird».