Auf einen Blick
- Streit um TV-Bildqualität: Nicht alle Anbieter zeigen Skirennen in Full-HD
- SRG und Anbieter streiten über HbbTV-Standard für barrierefreie Zusatzdienste
- 24 Parlamentarier aus allen Parteien unterstützen Vorstoss für bessere Bildqualität
Wenn Marco Odermatt (27) und Co. in Adelboden die Piste herunterrasen, verfolgen Hunderttausende das Rennen an den Bildschirmen. Doch nicht alle mit der gleichen Qualität. Wer beispielsweise bei Swisscom TV schaut, bekommt das Rennen in FullHD-Format. Wer hingegen bei Sunrise eine Box hat, muss sich mit deutlich weniger Qualität begnügen.
Aufgefallen ist das unter anderem FDP-Nationalrat Marcel Dobler (44) – selbst Sunrise-Kunde: «Bei der Fussball-EM im Sommer ist mir aufgefallen, dass die Qualität tiefer ist als bei anderen Anbietern – obwohl mehr möglich ist.» Jetzt wird er aktiv und fordert mit einem Vorstoss «Full HD» für alle.
Krach um HbbTV
Produziert wird das Rennen bereits in höherer Qualität – doch nicht alle bekommen diese. Hintergrund ist ein Streit zwischen der SRG, die die Sportanlässe wie zum Beispiel das Skirennen in Adelboden produziert, und den Anbietern. Geht es nach der SRG, sollen sie nicht nur das Fernsehsignal weiterverbreiten, sondern gleichzeitig auch das sogenannte HbbTV. Damit werden unter anderem Zusatzdienste für Menschen mit Sehbehinderung verteilt, zum Beispiel Untertitelung, Audiobeschreibungen oder Gebärdensprache. «Die SRG ist rechtlich auch verpflichtet, die Versorgung der Menschen mit einer Sinnesbehinderung sicherzustellen und diesbezüglich Barrieren abzubauen.»
HbbTV sei derzeit der einzige internationale Standard, der das über verschiedene technische Plattformen effizient möglich mache. Weigert sich ein Anbieter, dieses HbbTV zu übernehmen, gibt es nur die geringere Qualität. Jedoch sei auch diese branchenüblich und entspreche den «rundfunkrechtlichen Vorgaben». FullHD sei hingegen ein «Benefit für die Anbieter, die HbbTV weitergeben».
Nun entscheiden Gerichte
Sunrise ist einer der Anbieter, die bei ihren Set-Top-Boxen auf HbbTV verzichten und deshalb schlechtere Bildqualität geliefert bekommen. Sie fürchten, dass die SRG mit HbbTV personalisierte Werbung vermarktet. Die Technologie sei veraltet und für die Simultanübersetzung in Gebärdensprache brauche es kein HbbTV. «Bereits heute ermöglicht die SRG gehörlosen Menschen, auf ihren Replay-Kanälen Sendungen in Gebärdensprache ohne HbbTV anzusehen. Wenn die SRG solche Kanäle als eigenständiges TV-Signal bereitstellt, übernehmen wir deren Übertragung.»
Sunrise kritisiert die SRG scharf. «Wir stellen infrage, warum die SRG – als öffentliches und gebührenfinanziertes Medienhaus – die Lieferung des Full-HD-Signals an Bedingungen knüpft, die nicht durch rechtliche Bestimmungen gedeckt sind.»
Nun müssen die Gerichte entscheiden. Die SRG und der Schweizerische Gehörlosenbund haben gegen Sunrise eine Aufsichtsbeschwerde beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom) eingereicht. Und liefen dabei auf. Das zeigt das Urteil von vergangenem Juni, das das Amt am Dienstag veröffentlicht hat. «Es besteht keine generelle Verbreitungspflicht für HbbTV», schreibt das Bakom. «Wenn ein entsprechender Dienst für Menschen mit Sinnesbehinderung bereits verbreitet wird (z.B. Untertitel), besteht keine Pflicht, diesen auch noch in einem anderen Standard zu verbreiten.» Die SRG zog das Urteil vor das Bundesverwaltungsgericht nach St. Gallen. Dort ist es noch immer hängig.
Unterstützung aus allen Parteien
FDP-Nationalrat Dobler will jetzt mit seinem Vorstoss Druck erzeugen. «Über die Hälfte der Bevölkerung leidet unter diesem absurden Streit und bekommen schlechtere Bildqualität, obwohl sie gleich viel Serafe-Gebühr bezahlen.» Dabei sei nicht nur Sunrise betroffen. «Nur 42 Prozent bekommen Full HD, auch andere Anbieter sind betroffen.» HbbTV sei eine «Datenkrake». «Unter dem Vorwand der Barrierefreiheit wird hier die Mehrheit der Bevölkerung diskriminiert, um Geld zu verdienen.»
24 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus allen Parteien im Parlament haben den Vorstoss unterschrieben. Einer von ihnen ist Islam Alijaj (38). Er setzt sich unter anderem für Behindertenpolitik ein. «Als Mensch mit Behinderungen habe ich kein Verständnis dafür, dass zwei Anbieter über die Verwendung veralteter Technologie streiten, statt mit innovativen Lösungen endlich das Problem anzupacken.»