«Mein Pensum hört nicht bei 100 Prozent auf»
Im kleinen Häggenschwil sahnt der Präsident gross ab

Jemand muss die Arbeiten ja erledigen, die in einer Gemeindeverwaltung anfallen. Statt extra viele Angestellte dafür zu bezahlen, soll im Kanton St. Gallen der Gemeindepräsident mehr tun. Für diesen greifen die Bewohner Häggenschwils besonders tief ins Portemonnaie.
Publiziert: 04.08.2020 um 18:08 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2020 um 10:09 Uhr
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Samuele Cavadini ist der günstigste Gemeindepräsident. Er regiert Mendrisio TI.
Foto: Ti-Press
Sermîn Faki

Elmar Metzger (60) kostet jeden Flawiler eine Zwanzigernote im Jahr. Der Ostschweizer Gemeindepräsident verdient 206‘192 Franken, dazu kommen pauschal 10'000 Franken Spesenentschädigung. Pro Kopf der Einwohner der St. Galler Gemeinde gerechnet ist Metzger der Topverdiener unter den Gemeindechefs, wie der grosse BLICK-Lohnreport zeigt. Dafür hatte BLICK die Gehälter der Präsidentinnen und Präsidenten von Gemeinden mit mehr als 10'000 Einwohnern angefragt.

Doch die Präsidenten von kleineren Gemeinden im Kanton St. Gallen verdienen oft noch viel mehr pro Kopf. So auch Hans-Peter Eisenring (64). Der Chef der Gemeinde Häggenschwil SG verdient im Jahr 186'213.30 Franken, dazu kommt eine Spesenpauschale von 10'000 Franken, wie Eisenring auf Anfrage bestätigt.

130 Franken zahlt jeder für den Präsidenten

Auf den Fall Häggenschwil hat ein BLICK-Leser hingewiesen. Das Spezielle: Die Gemeinde hat nicht einmal 1500 Einwohner. Rechnet man Eisenrings Lohn auf die Bevölkerung herunter, kommt sie der Gemeindepräsident teuer zu stehen: Jeder Häggenschwiler zahlt pro Jahr stolze 130 Franken fürs Regiertwerden.

Was sagt der gut bezahlte Gemeindepräsident zu seinem Lohn? Als Präsident der Einheitsgemeinde, zu der auch die Schulen gehören, sei er für alles verantwortlich – 24 Stunden am Tag und 365 Tagen im Jahr. Und er sei eben nicht nur Gemeindepräsident, sondern nehme auch operative Verwaltungsaufgaben wahr. Er führe mehr als 30 Mitarbeitende. «Zudem bin ich Bauverwalter und auch Liegenschaftsverwalter der Gemeinde.» Die Liegenschaftsverwaltung allein umfasse die Verwaltungsgebäude, sämtliche Schulhäuser inklusive Oberstufe, zwei Seniorensiedlungen, ein Restaurant sowie weitere Liegenschaften der Gemeinde mit rund 25 Mietwohnungen.

Als Präsident der Elektra- und der Wasserversorgung komme noch mehr Verantwortung hinzu – selbst für das dorfeigene Kabelfernsehnetz sei er zuständig, so Eisenring. «Sie sehen also, mein Pensum hört nicht bei 100 Prozent auf. Aber mein Job macht mir auch nach bald 30 Jahren immer noch Freude.» Und der Lohn? «Der ist sicher in Ordnung», so Eisenring.

Der Chef packt in St. Gallen selbst mit an

Der altershalber Ende Jahr aus seinem Amt scheidende Eisenring, aber auch der eingangs erwähnte Gemeindepräsident Metzger sind keine absoluten Ausnahmen in der Ostschweiz. Auch die Bewohner anderer Gemeinden mit mehr als 10'000 Einwohnern wie Weinfelden TG, Altstätten SG, Romanshorn TG, Buchs SG und Uzwil SG zahlen mehr als 16 Franken pro Kopf an den Lohn ihres Gemeindepräsidenten. Und bei kleineren St. Galler Gemeinden zahlen die Bewohner manchmal eben noch erheblich mehr an den Gemeindechef.

Sind die Ostschweiz also besonders spendierfreudig? Nicht unbedingt. Vor allem die St. Galler haben das Amt des Gemeindepräsidenten einfach professionalisiert. Drei Viertel aller St. Galler Gemeinden sind nämlich so organisiert, dass der Gemeindepräsident auch noch die Verwaltung führt und wie Eisenring für allerlei Sonstiges noch zuständig sind.

So ist eine Vollzeitanstellung möglich, und der Job des Gemeindepräsidenten wird attraktiv, auch dank viel Gestaltungsmöglichkeit und guten Sozialleistungen. Und statt dass sonst noch jemand angestellt und bezahlt werden muss, um beispielsweise die Bauverwaltung zu managen, macht das der Chef gleich selbst.

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