In der Corona-Krise waren Gemeindepolitiker gefordert wie nie zuvor
Sie sind die wahren Krisenmanager

Die Corona-Krise war nicht nur für den Bundesrat eine herausfordernde Zeit, sondern auch für die Schweizer Gemeindepräsidenten, welche die Entscheide des Bundesrats umsetzen mussten. Einer von ihnen erzählt.
Publiziert: 03.08.2020 um 23:22 Uhr
|
Aktualisiert: 05.08.2020 um 10:09 Uhr
1/6
Der Bundesrat entscheidet ...
Foto: keystone
Tobias Bruggmann

Freitag, 13. März 2020, 16 Uhr. Noch während Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) die neusten Massnahmen gegen das Coronavirus bekannt gibt, telefoniert Jörg Kündig (60) bereits. Kündig ist seit 18 Jahren Gemeindepräsident von Gossau ZH. Gerade hat Sommaruga erklärt, dass der Bundesrat die Schulen vorübergehend schliesst. Umsetzen müssen das die Gemeinden. Die Schulschliessungen gelten ab Montag.

30 bis 50 Prozent der Arbeitszeit wendet Kündig als Präsident für die Gemeinde im Zürcher Oberland auf. Daneben sitzt er im Kantonsrat, ist Präsident des Zürcher Gemeindepräsidentenverbandes und führt zusammen mit seiner Frau ein Treuhandbüro. «Für die Gemeindepräsidenten hat sich die Situation dramatisch verändert», sagt er. Viele hätten als Milizfunktionäre auch beruflich Leitungsfunktionen in Firmen. «Dort müssen sie sich mit Umsatzeinbrüchen und Kurzarbeit für ihre Mitarbeitenden beschäftigen und gleichzeitig in den Gemeinden Entscheidungen treffen.»

Vielfältige Entscheidungen

Noch am gleichen Abend trifft sich in Gossau der Krisenstab. Eine Hotline für Betroffene wird eingerichtet. Doch nicht nur das: Auch über Regeln im Alters- und Pflegeheim, über den Mahlzeitendienst für die Senioren und die wirtschaftlichen Hilfen für Unternehmen muss die Gemeinde möglichst schnell entscheiden.

Angst, Entscheidungen zu treffen, habe er nicht, sagt Kündig. «Doch ein gewisser Respekt ist vorhanden.» Man müsse sauber abwägen. «Jeder Entscheid hat Folgen.» Insbesondere auf parlamentarischer Ebene sei auch Kritik laut geworden. «Wir hatten während der Corona-Krise richtigerweise mehr Kompetenzen. Das sorgte für gewisse Bedenken, die aber völlig unberechtigt waren.»

Tägliche Telefonkonferenzen

Samstagmorgen. Die Zivilschutzkommandanten treffen sich. Es folgen im Tages-, später im Zwei-TagesRhythmus, Telefonkonferenzen. «Schwergewichtig ist man da nicht mehr für seinen angestammten Beruf tätig», sagt Kündig. Die Verantwortlichen in den Gemeinden hätten an Statur gewonnen. «In der Krise haben die Gemeinden und ihre Milizbehörden funktioniert und einen sehr guten Job gemacht.»

Doch während von Bundesrat Alain Berset (48) sogar T-Shirts gedruckt werden, arbeiten die Gemeindepräsidenten im Hintergrund. «Das ist unser Los.» Trotzdem: Etwas mehr Lob wäre manchmal schon schön. «Wir sind die, welche die Probleme wirklich lösen.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?