«Man muss realistisch bleiben. Im Moment kann niemand aus Afghanistan ausreisen», stellte FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (57) am Mittwoch vor den Medien klar. Die Justizministerin wehrt sich gegen den Vorwurf, die Schweiz sei bei der Hilfe für Afghanistan-Flüchtlinge zu wenig engagiert.
Klar aber ist: Nach der Machtübernahme der Taliban will der Bundesrat derzeit keine grösseren Flüchtlingsgruppen aufnehmen. SP und Grüne hatten zuletzt gefordert, dass die Schweiz 10'000 Flüchtlinge aus Afghanistan Schutz bieten solle. Die SVP hingegen hatte sich gegen die Aufnahme von Kontingentsflüchtlingen ausgesprochen.
«Habe Verständnis für die Forderungen»
«Ich habe Verständnis dafür, dass nun Forderungen laut werden, grössere Gruppen von Menschen aus Afghanistan aufzunehmen», versicherte Keller-Sutter. Und nochmals: Derzeit sei das aber nicht möglich. Die Lage sei zu instabil. «Die Uno-Organisationen sind derzeit am Abklären, ob eine solche Aufnahme von Flüchtlingen überhaupt nötig ist.» Hinzu komme, dass Evakuierungen im Moment schwierig seien. Gleichzeitig seien auch grössere Fluchtbewegungen nach Europa zurzeit nicht zu erwarten.
«Es muss auch abgeklärt werden, dass die Sicherheit der Schweiz durch die Aufnahme dieser Personen nicht gefährdet wird», sagte Keller-Sutter weiter. Eine Sicherheitsprüfung durch den Bund müsse garantiert sein, bevor die Einreise bewilligt werde.
«Die Schweiz legt nicht die Hände in den Schoss»
Für den Bundesrat habe derzeit die Evakuierung von Personen mit einer engen Beziehung zur Schweiz Priorität, sagte Aussenminister Ignazio Cassis (60). Dabei handle es sich um die rund 40 lokalen Mitarbeitenden der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und ihre Kernfamilien sowie rund 30 Schweizerinnen und Schweizer, die das Land verlassen wollten. Total rund 280 Personen.
«Die Schweiz legt aber auch sonst nicht die Hände in den Schoss und wartet ab», versicherte Cassis. Die Menschen flüchteten hauptsächlich in die Nachbarländer. Dort müsse man helfen und die Schweiz werde Hilfe leisten. Es müsse aber erst klar sein, wo Bedürfnisse entstehen. «Wir können nicht einfach ins Leere hinaus planen», betonte der Aussenminister. «Wenn es sein muss, sind wir bereit, noch heute Abend Hilfe zu leisten.»
Bundesrat schliesst Flüchtlings-Aufnahme nicht grundsätzlich aus
Grundsätzlich schliesst Keller-Sutter nicht aus, Flüchtlinge im Zusammenhang mit dem Resettlement-Programm des Flüchtlingshilfswerks der Uno (UNHCR) in der Schweiz aufzunehmen. «Wenn das UNHCR zum Schluss kommt, dass es eine Aufnahme von Flüchtlingen braucht, wird das UNHCR auf die Schweiz zukommen», sagte die Justizministerin. «Das UNHCR klärt den Bedarf für ein Resettlement-Programm ab – nicht die Schweiz.»
Sobald ein Resettlement-Programm des UNHCR eingerichtet sei, könne die Schweiz die Aufnahme wieder diskutieren. Die Schweiz wolle ihre Souveränität in der Asylpolitik nicht aus den Händen geben. Sie könne hier aber auch nicht eigenmächtig handeln. (dba)