Das Sicherheitskonzept des Bundes hat versagt. Während der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45) war die Wandelhalle eigentlich Sperrzone. Mitarbeitende der Parteien, Lobbyisten und die akkreditierten Bundeshausjournalistinnen und -journalisten durften sie aus «Sicherheitsgründen» nicht betreten.
Ausgerechnet Corona-Massnahmenskeptiker Nicolas Rimoldi (28) aber konnte sich während der Ansprache dort aufhalten. Auf Twitter postete er ein Bild, das ihn Zigarre rauchend auf einem Balkon zeigt, der nur über die Wandelhalle zugänglich ist.
Rimoldi blieb unbehelligt
Rimoldi hatte sich im Bundeshaus zuvor mit einem Nationalrat getroffen. Er erzählt gegenüber Blick, er habe sich nachher auf dem Raucherbalkon eine Zigarre gegönnt und Telefonate erledigt. Eigentlich hatte er die Ansprache von der Zuschauertribüne aus verfolgen wollen, doch die war für die Zeit der Selenski-Rede gesperrt.
Als Rimoldi nach etwa einer Dreiviertelstunde wieder zurück in die Wandelhalle ging, sei diese wie ausgestorben gewesen. «Da waren etwa zehn Bundespolizisten und ich», erzählt er. Angeblich unbehelligt von den Sicherheitskräften nutzte er die Gelegenheit, ein Selfie zu machen und ein Video aufzunehmen.
Polizisten sahen ihm zu
Niemand störte sich offenbar am einstigen FDP-Politiker. Erst beim Verlassen der Wandelhalle wurde er darauf hingewiesen, dass er sich eigentlich nur in Begleitung des Politikers, der ihn eingeladen hatte, im Bundeshaus bewegen dürfe.
Angesichts dieser Episode scheint es umso unverständlicher, dass alle anderen, die sich dort sonst frei bewegen dürfen, aus der Wandelhalle ausgesperrt wurden. Die Bundeshausjournalistinnen und -journalisten mussten sich auf den beiden Pressetribünen auf den Füssen herumstehen.
Protestnote an Candinas und Häberli-Koller
Die Leitungsgremien von National- und Ständerat sehen darin kein Problem. Ganz anders sieht dies die Vereinigung der Bundeshausjournalistinnen und -journalisten. Laut Blick-Informationen hatten sich schon vor der Rede Vertreter der Vereinigung bei Nationalratspräsident Martin Candinas (42) darüber beschwert, dass Medien keinen Zugang haben. Wegen der Beschneidung der Pressefreiheit wird sie bei Candinas, Ständeratspräsidentin Brigitte Häberli-Koller (64) und den Parlamentsdiensten nun eine Protestnote deponieren.
Unter Journalisten wird die Frage diskutiert, von wem die grössere Gefahr ausgeht: von den Journalisten, einem löchrigen Sicherheitskonzept oder von Ratspräsidien, die die Pressefreiheit nicht ernst nehmen.