Sie analysieren das Abwasser, koordinieren Medienanfragen oder bereiten Seminare vor: Nicht nur Altersheime, Schulen und Bauernbetriebe setzen auf Zivis – sondern auch der Bund. Insgesamt 50'500 Diensttage haben Zivildienstleistende letztes Jahr bei einer Bundesbehörde absolviert. Das entspricht der Arbeitszeit von rund 220 Vollzeitstellen.
Drei Prozent aller Zivi-Einsätze werden beim Bund geleistet. Der Anteil ist in den letzten Jahren gestiegen. 2022 haben die Zivis 8802 Tage mehr bei den Behörden gearbeitet als noch fünf Jahre zuvor. Und das Zivi-Angebot beim Bund ist grösser als die Nachfrage. Etliche ausgeschriebene Zivi-Stellen konnten nicht besetzt werden, beispielsweise bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit.
Steigende Arbeitsbelastung, mehr Zivis
Zu erklären sei der Anstieg vergangenes Jahr vor allem mit den Einsätzen in Bundesasylzentren, heisst es beim Bundesamt für Zivildienst auf Anfrage.
Aber auch im Bundesamt für Gesundheit, dem Bundesarchiv oder dem Bundesamt für Raumentwicklung setzt man auf Zivis. In Letzterem wurden vergangenes Jahr fast 1000 Diensttage absolviert – damit haben sich die Zivi-Einsätze seit 2018 mehr als vervierfacht. Die dortige Sektion Nachhaltige Entwicklung sei etwa wegen der Umsetzung der Strategie «Nachhaltige Entwicklung 2030» des Bundesrates mit einer «steigenden Arbeitslast konfrontiert», nennt das Amt als Grund für die erhöhte Nachfrage.
Ob ein Unternehmen oder eben eine Behörde einen Zivi einstellen darf, darüber entscheidet das Bundesamt für Zivildienst. Dies prüft, ob die Arbeitsleistung «im öffentlichen Interesse» liegt. Das sei bei der Bundesverwaltung grundsätzlich gegeben, sagt Sprecherin Miriam Spychiger auf Anfrage. Das Gesetz verbietet, dass bestehende Arbeitsplätze durch Zivi-Einsätze gefährdet werden.
Zivis statt Praktikanten
Und so kommen in diversen Ämtern vermehrt die günstigen Hilfskräfte zum Einsatz. Auch das Wasserforschungsinstitut der ETH (Eawag) sucht gerade einen Zivi. Seine Aufgabe: «qualitativ hochstehende und moderne sozialwissenschaftliche Umweltforschung mit einem Schwerpunkt auf Wasserthemen». Am liebsten möchte man dafür jemanden mit abgeschlossenem Studium der Umweltwissenschaften mit «ausgewiesener sozialwissenschaftlicher Vertiefung».
Sucht man da im Eawag nicht einfach eine günstige Arbeitskraft anstelle eines teureren wissenschaftlichen Mitarbeiters?
Der Zivi-Einsatz ersetze keine Fachkraft, verteidigt Zivi-Mediensprecherin Spychiger die Ausschreibung. «Erstens ist er zeitlich begrenzt und zweitens hat ein Betrieb keine Garantie für die Besetzung des Platzes.» Dem Milizgedanken folgend sei es nicht untersagt, «im Dienst auch qualifizierte Tätigkeiten auszuführen». Bei der Eawag würden nur dann Zivis beschäftigt, wenn sich nicht genügend ausländische Praktikanten finden liessen.
Zugang zum Zivildienst wird erschwert
Die wachsende Zivi-Nachfrage bei den Bundesbehörden ist paradox. Viele Zivi-Stellen beim Bund sind für junge Berufseinsteiger attraktiv, schliesslich hat man die Möglichkeit, beim Bund einen Fuss in die Tür zu bekommen – und es macht sich gut im Lebenslauf. Derweil hat der Bundesrat genau die gegenteilige Absicht: Den Zivildienst so unattraktiv wie möglich zu machen.
Seit Jahren ziehen junge Schweizer Einsätze im Zivildienst der Militärlaufbahn vor. Dies liegt nicht nur an der Abschaffung der Gewissensprüfung im Jahr 2008. Seit 2012 ist die Zahl der Zulassungen für den Zivildienst stetig angestiegen, bis sie sich seit 2016 jeweils um die 6100 Personen pro Jahr einpendelte.
Diese Entwicklung geht dem Bundesrat und dem Parlament gegen den Strich. Die bürgerliche Mehrheit im Parlament will, dass weniger junge Männer vom Militär- in den Zivildienst wechseln. Der Ständerat hat gerade im März einen Vorstoss der SVP mit deutlicher Mehrheit angenommen. Weil der Nationalrat dieselbe Forderung bereits im Herbst klar angenommen hat, ist der Auftrag an den Bundesrat nunmehr verbindlich: Er muss eine Gesetzesänderung ausarbeiten, die den Zivildienst mit gezielten Massnahmen unattraktiver machen soll, damit mehr junge Männer und Frauen in die Armee gehen.