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Massentierhaltung beschädigt Wälder und Wiesen
Die Schweiz ersäuft in Gülle

Zu viel Mist, zu viel Dünger: Die intensive Landwirtschaft beschädigt die Natur. Die Politik schreckt vor griffigen Massnahmen zurück.
Publiziert: 29.11.2020 um 11:35 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2021 um 16:34 Uhr
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Kühe gehören zum Landschaftsbild der Schweiz.
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Camilla Alabor

Schneebedeckte Gipfel, saubere Seen, der Klang von Kuhglocken: Die Schweizer zeichnen gern ein idyllisches Bild von ihrem Land. Doch die vielen Kühe und eine intakte ­Natur passen immer weniger zusammen – jedenfalls nicht so, wie heute Landwirtschaft be­trieben wird.

Was ist das Problem? In erster Linie der Importdünger – und viele Tonnen Kuhdreck. Die Schweizer Böden und Wälder ersaufen regelrecht in Gülle. Technisch gesprochen, handelt es sich um sogenannte Stickstoffverluste: Bringen die Bauern Dünger und Gülle aufs Feld, entstehen Ammoniak und Nitrat. Letzteres sickert ins Grundwasser und schädigt das Ökosystem, Ammoniak landet per Lufttransport auf Blumenwiesen und in Wäldern. Auf den Wiesen zerstört es die Artenvielfalt, in den Wäldern schwächt es die Bäume.

Bauern-Lobby setzt sich durch

Heute sind Ammoniak-Emissionen deutlich höher, als das Gesetz erlaubt. Im Zuge der Agrarpolitik 2022 hatte der Bundesrat deshalb vorgeschlagen, die sogenannten Nährstoffverluste bis 2025 um 10 Prozent zu reduzieren, bis 2030 um 20 Prozent – womit sie allerdings weiterhin deutlich über dem Zielwert von 25'000 Tonnen pro Jahr liegen würden.

Die Ammoniak-Emissionen liegen seit Jahren über dem gesetzlich vorgegebenen Wert (rote Linie).

Die vorberatende Kommis­sion des Ständerats nahm diesen Zielwert in den indirekten Gegenvorschlag zur Trinkwasser-Initiative auf; nach einem intensivem Lobby-­Effort der Bauern liess man ihn wieder fallen. Auf Antrag von CVP-Ständerat Benedikt Würth (52, SG) strichen die Bürgerlichen das Ziel ­einer Reduktion um 20 Prozent und ersetzten es durch einen Gummiparagrafen, in dem es heisst, die Verluste seien «angemessen» zu reduzieren.

Trinkwasserversorger wollen Reduktion

Die Trinkwasserversorger reagierten alarmiert. In einem Schreiben an die Kommission des Nationalrats setzten sie sich dafür ein, die 20-Prozent-Reduktion wieder festzuschreiben: Es handle sich dabei um ein «wenig ehrgeiziges Ziel», aber einen «wichtigen ersten Schritt».

Ihr Appell verhallte ungehört: FDP und CVP sprechen sich gegen ein konkretes Reduktionsziel aus, die SVP möchte die Passage am liebsten ganz streichen, wenn der Nationalrat das Dos­sier am Mittwoch behandelt. Auch die Landwirte halten die Festlegung auf eine konkrete Zahl für verfehlt, wie Martin Rufer erklärt, Direktor des Bauernverbandes.

Er begründet dies damit, «dass der Bundesrat im Sommer Fehler in der Methodik zur Er­hebung der Stickstoffüberschüsse eingestehen musste» und da­raus tiefere Werte resultierten. Bevor man Zahlen festschreibe, wolle man die Datengrundlage geklärt haben, sagt Rufer. Das sei keine Verzögerungstaktik: «Die Landwirte schauen bereits heute gemeinsam mit dem Bund, welche Massnahmen zielführend sind.»

Bäche und Böden können Gülle nicht mehr aufnehmen

Zugleich jedoch hält Rufer fest, dass eine verringerte Rinderhaltung für ihn nicht in Frage komme: «Wir hatten in den letzten hundert Jahren nie so ­tiefe Kuhbestände wie heute. Diesen Abbau wollen wir nicht noch beschleunigen.» Er verweist darauf, dass die Schweizer allein in diesem Jahr Fleisch von 30'000 Kühen aus dem Ausland kauften. «Diese Ver­lagerung finden wir falsch.»

Eine ganz andere Position vertritt GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy. Für sie ist klar: «Die überhöhten Tierbestände in der Schweiz zerstören unser Ökosystem.» Die importierten Futtermittel entsprächen nochmals der gesamten Ackerfläche der Schweiz. «So viel Gülle, wie die Kühe produzieren, können unsere Böden schlicht nicht aufnehmen.»
Anders als Rufer hält Bertschy den Import von ausländischem Fleisch nicht per se für schlecht. «Wenn die Kühe im Ausland Gras vor Ort fressen statt importierter Futtermittel wie bei uns, fällt die Umwelt­bilanz unter Umständen besser aus», sagt sie.

Die Politikerin setzt sich dafür ein, die Reduktion um 20 Prozent bis 2030 wieder ins Gesetz auf­zunehmen; Unterstützung erhält sie von SP und Grünen. «Der Vorschlag von FDP und CVP, die Überschüsse ‹angemessen› zu ­reduzieren, ist ein Kunstgriff all jener, die gar nichts machen ­wollen», ist Bertschy überzeugt. «Ein solch unscharfer Begriff entfaltet null Wirkung.»

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