Blick: Herr Bäumle, die FDP will ausgerechnet im Gesetz für den raschen Zubau erneuerbarer Energien Atomkraftwerke erlauben.
Martin Bäumle: Der Atompoker geht weiter! Es ist zwar eine Volksinitiative unterwegs, die den Bau neuer AKW ermöglichen soll. Mit dieser werden wir über AKW reden. Darauf mag die FDP nicht warten. Sie versucht einerseits, das Verbandsbeschwerderecht auszuhebeln, und andererseits, rasch neue Atomkraftwerke ins Gesetz zu schreiben. Voilà, so unterläuft man Volksentscheide!
Eine Unterstellung!
Ich zeichne die Fakten nach. Erhält auch nur einer der beiden Anträge eine Mehrheit, ist die Beschleunigungsvorlage so gut wie tot. Dabei sind es weniger die Verbände, sondern oft Einzelpersonen, die sich gegen Windanlagen wehren. Sollte das bestehende AKW-Neubauverbot ausgehebelt werden soll, wehren sich alle Parteien ausser FDP und SVP. So killt man den Zubau der Erneuerbaren.
Ist das die Absicht der FDP?
Mir ist die Absicht schleierhaft. In der Kommission ist die SVP mit ähnlichen Anträgen gescheitert. Jetzt auch noch mit Anträgen von vorgestern zu kommen, macht keinen Sinn. Nicht nur unter Frau Gössi hätte es das nicht gegeben, sondern schon deren Vorgänger Philipp Müller wäre kaum so töricht gewesen.
Ist der Ökokurs der FDP mit Thierry Burkart Geschichte?
Ich habe immer gesagt, dass die leichte Begrünung der Partei unter Petra Gössi nicht nachhaltig sei. Mit einem neuen Präsidium schwenke die FDP auf die alte Linie ein.
Der 59-jährige Atmosphärenwissenschafter Martin Bäumle gründete nach einem Richtungsstreit innerhalb der Zürcher Grünen zusammen mit anderen die Grünliberale Partei Zürichs, aus der sich die Schweizer GLP entwickelte. Dieser stand Bäumle zehn Jahre lang, bis im Sommer 2017, als Parteipräsident vor.
Der 59-jährige Atmosphärenwissenschafter Martin Bäumle gründete nach einem Richtungsstreit innerhalb der Zürcher Grünen zusammen mit anderen die Grünliberale Partei Zürichs, aus der sich die Schweizer GLP entwickelte. Dieser stand Bäumle zehn Jahre lang, bis im Sommer 2017, als Parteipräsident vor.
Burkart geht es um die Versorgungssicherheit!
Das ist Augenwischerei! Auch wenn wir den AKW-Neubau gesetzlich ermöglichen, bleibt die Stromversorgung im Winter anspruchsvoll. Auch wenn man morgen die Planung eines neuen AKW angehen würde, stünde vor 2045 kein Neues. Aber es stünden weniger Solar- und Windanlagen.
Warum soll das die FDP wollen?
Keine Ahnung, vielleicht will man irgendwelche Sponsoren befriedigen.
Sponsoren?
Trotz unserer neuen Transparenzregeln ist es ja oft nach wie vor unklar, wer genau wem spendet. Solange Gelder durch Vereine wie die «Freunde der FDP» geschleust werden, weiss niemand, wer die tatsächlichen Spender sind. Ich glaube nicht, dass solche Verschleierungen im Sinne des Gesetzes sind.
Auch die GLP hat einen namhaften Sponsor. Er sagt Ihrer Partei, wo es langgeht.
Uns sagt kein Sponsor, wo es langgeht, das will ich hier betonen! Aber in unserer Partei begrüssen wir es, wenn sich ein Georges Kern öffentlich mit uns identifiziert und sich nicht scheut, seine Meinung zu sagen.
Sie wissen, worauf ich hinaus will: Ihr wichtigster Geldgeber, Uhrenunternehmer Kern, verordnet Ihrer Partei eine Fusion mit der Mitte.
Herr Kern hat das angeregt. Ich sehe den Vorteil einer Fusion nicht, gehe mit ihm aber einig, dass eine engere inhaltliche Zusammenarbeit mit der Mitte beiden Parteien Vorteile brächte. Selbst eine institutionalisierte Kollaboration würde ich begrüssen.
Also eine gemeinsame Fraktion?
So weit gehe ich nicht. Es kann eine Fraktionsgemeinschaft sein, eine Allianz mit dem Ziel, das politische Zentrum zu stärken – bis hin zum Bundesrat.
Zum Bundesrat?
Nach dieser Kehrtwende der FDP ist es noch wichtiger, dass der zweite Bundesratssitz der Freisinnigen in die Mitte geht. Sprich: Die Grünliberalen sollten mithelfen, dass die Mitte-Partei bei der nächsten FDP-Vakanz den Sitz erhält. Denn vordringlichstes Ziel muss es sein, dass im Bundesrat die Energiestrategie weitergetragen wird.
Haben Sie eben die Bundesratsambitionen der GLP begraben?
Bleiben wir realistisch: Aktuell haben wir kaum Anrecht auf einen Bundesrat. Wenn es im politischen Zentrum aber einen zweiten Bundesratssitz gäbe, könnte dieser wandern, sodass die Grünliberalen ihn in einigen Jahren einmal besetzen würden – sofern wir dann genug stark sind. So heisst meine Antwort: Ja, wir wollen in den Bundesrat. Unsere Strategie ist es aber nicht, in aussichtslosen Ausgangslagen für die Landesregierung zu kandidieren, sondern Allianzen zu schmieden, damit unsere Anliegen im Bundesrat vertreten sind.