Russland führt den Krieg gegen die Ukraine nicht nur auf dem Schlachtfeld. Parallel zur Invasion mit Panzern und Soldaten kämpft die russische Regierung auch einen Informationskrieg im Internet.
Eine Analyse des «Tages-Anzeigers» gibt einen kleinen Einblick in die Online-Front. Die Zeitung hat die Twitter-Profile von Usern, die in den vergangenen drei Monaten auf Deutsch zum Stichwort «Putin» Tweets veröffentlicht haben, unter die Lupe genommen. Hunderttausende Tweets wurden maschinell ausgewertet.
Tausende Konten neu eröffnet
Dabei zeigt sich, dass in den Wochen und Tagen vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine aussergewöhnlich viele Accounts eröffnet wurden, die über den russischen Präsidenten schreiben. Knapp 6300 solcher deutschsprachiger Konten wurden zwischen dem 1. Januar und dem Kriegsbeginn am 24. Februar ins Leben gerufen.
Von den 100 Konten, die in den Tagen vor dem Kriegsbeginn am aktivsten waren, vertraten laut «Tages-Anzeiger» über ein Drittel eine prorussische Haltung. Einen Tag vor dem russischen Einmarsch hätten diese fast jeden dritten aller deutschsprachigen Tweets zum Thema Putin verfasst.
Indiz für koordinierte Propaganda
Mykola Makhortykh vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Uni Bern erforscht die russische Propaganda im Netz. Er sagt gegenüber dem «Tages-Anzeiger», dass die aussergewöhnlich hohe Zahl von Account-Eröffnungen ein gutes Indiz dafür sei, «dass es sich um eine koordinierte Propagandaaktivität handeln könnte».
Beweisen lässt sich dies nicht. Schon vor Jahren gab es aber Berichte über «Troll-Fabriken», die nichts anderes tun, als soziale Medien und Kommentarspalten mit Posts im Interesse des Kreml zu fluten.
Über 1000 Tweets pro Tag
Einige der prorussischen Twitter-Konten setzen, wie die Analyse zeigt, über 1000 Tweets pro Tag ab. Dies deutet darauf hin, dass nicht ein Mensch, sondern ein Bot hinter einem Teil der Accounts steckt. Die Tweets preisen Putin, beschimpfen die Ukrainerinnen und Ukrainer und verbreiten Verschwörungstheorien.
Der «Tages-Anzeiger» versuchte, mit den besonders aktiven Twitter-Usern Kontakt aufzunehmen. Nur drei reagierten auf die Anfrage, wie die Zeitung schreibt. Zwei der Viel-Twitterer behaupten, sie seien pensioniert und hätten deswegen viel Zeit. Der eine User schreibt: «Ich bin Rentner und habe über den Winter Zeit. Im Frühjahr geht es in den Garten.» Dass sie Geld für ihre Tweets bekommen, bestreiten die drei Personen. (lha)