Die SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Magdalena Martullo (53) empfängt Blick in Herrliberg ZH. Am 6. September war bekannt geworden, dass die Axpo sich unter den Rettungsschirm des Bundes in Sicherheit bringt. Bis zu 4 Milliarden Franken kann das Energieunternehmen beziehen, falls der Strompreis steigt und es Geschäfte mit zusätzlichen Mitteln absichern muss. Martullo macht im Interview klar, was sie von dieser Axpo-Hilfe und der Energiestrategie hält.
Blick: Frau Martullo, Ihre Partei stellt sich gegen den Rettungsschirm. Müssen wir nicht alles dafür tun, dass wir genügend Strom haben?
Magdalena Martullo: Doch, das müssten wir. Aber das machen wir nicht. Beim Rettungsschirm geht es nicht um die Versorgung der Schweiz.
Sondern?
Produktion und Verkauf von Strom sind für diese Konzerne – vor allem für die Axpo – nur noch ein kleiner Geschäftsteil. Wichtiger ist das internationale Handelsgeschäft. Die Axpo hatte im März 65 Milliarden in Spekulationsgeschäften. Das ist fast unser Bundeshaushalt! Derweil wurde die eigene Stromproduktion auf Jahre hinaus bereits ins Ausland verkauft. Jetzt bricht das Spekulations-Casino der Axpo fast das Genick, und der Bund muss einspringen.
Sie tun so, als ob es keine Rolle spielen würde, ob die Axpo liquid ist oder nicht.
Nein, ich sage: Wir müssen den Schweizer Teil der Axpo absichern. Mit dem Rettungsschirm retten wir aber nicht die Produktion, sondern die Spekulation. Hier geht es auch um ungedeckte Termingeschäfte, mit denen sich bei der Axpo 2000 Händler – stellen Sie sich das einmal vor! – im aggressiven Bonus-Modus verspekuliert haben! Und das Schlimmste: Dieser Handel wird auch jetzt nicht verboten! Die Axpo kann weiterspekulieren, und der Bund wird bezahlen.
Der Bundesrat betont, er habe das alles genau geprüft.
Jaja. Wissen Sie, wie lang der Bericht dazu war?
Nein, aber Sie werden es uns gleich sagen.
Drei Seiten! Schnell übers Wochenende zusammengeschustert. Das ist doch keine seriöse Prüfung. Der Bund ist davon ausgegangen, dass es um die Eigenversorgung der Schweiz geht, obwohl die Strombarone eine Verantwortung dafür ja schon lange ablehnen. Der Bund müsste Bedingungen stellen: Die Risiken müssen jetzt runtergefahren werden. Bei der UBS hat man damals den Risikoteil in eine Bad Bank ausgelagert. Und hier? Nichts!
Es gibt ein Dividendenverbot. Aber vor allem: Ihr Parteikollege Ueli Maurer hat die Prüfung gemacht. Er ist überzeugt, dass der Rettungsschirm ein gutes Geschäft für den Bund wird.
Das hängt davon ab, wie sich die Strompreise entwickeln. Der Bundesrat brüstet sich, dass er 11 Prozent Zins für den Kredit verlangt. Aber wer zahlt diese am Schluss? Der Stromkunde, auch in der Grundversorgung. Die Stromkonzerne sind skrupellos. Die Leute dort haben nur die eigene Boni-Maximierung im Kopf. Aber ebenso schlimm ist die Dividenden-Gier der Kantone.
Fordern Sie, dass die Kantone zur Kasse gebeten werden?
Natürlich. Sie sind mitverantwortlich. Die neun Eignerkantone der Axpo müssen mindestens einen Teil zur Rettung bezahlen. Keine Bank könnte mit so wenig Eigenmitteln wie die grossen Stromfirmen agieren. Dennoch hat niemand kontrolliert oder gefordert, vorsichtiger zu wirtschaften. Die Kantone haben beide Augen zugekniffen und die Hand aufgehalten.
Wie hoch müsste die finanzielle Beteiligung der Kantone sein?
Eine Milliarde Franken dürfte zumutbar sein. Es muss den Kantonen auch wehtun.
Und den Axpo-Verwaltungsrat wollen Sie aus der Verantwortung entlassen?
Nein, auch er steht in der Pflicht. Ich bezweifle zudem, dass der Verwaltungsrat der Axpo mit IT- und Telekom-Leuten richtig besetzt ist!
Zwei davon sind Ihre Parteimitglieder: Ständerat Köbi Stark und der frühere Aargauer Grossrat Martin Keller.
Auch sie nehme ich hier nicht aus. Andere Kantone haben nicht einmal eigene Vertreter drin. Die grössten Eignerkantone haben jedes Jahr 60 Millionen an Dividenden kassiert. Der Zweck der Axpo war aber nie, ein Casino zu betreiben. Man hätte sie und die anderen Energiefirmen verpflichten müssen, die günstige Eigenversorgung der Schweiz mit Strom sicherzustellen. Jetzt lässt sich der Bund von der Axpo erpressen.
Die Folge der Liberalisierung, die die Bürgerlichen wollten.
Es gab bei uns ja nie eine vollständige Liberalisierung. Privathaushalte und Kleinbetriebe sind nach wie vor abhängig vom örtlichen EW und haben kostengebundene Tarife. Grossverbraucher konnten derweil günstig Strom auf dem freien Markt kaufen. Wer das getan hat, hätte sich auch absichern müssen. Unternehmen, die das verpasst haben, können nicht erwarten, dass nun alle anderen dafür aufkommen. Wenn ein Unternehmen oder eine Branche systemrelevant ist, müssen die Kantone sie stützen, nicht der Bund.
Energieministerin Sommaruga hat ja nicht nur den Rettungsschirm geschaffen, sondern auch Wasserreserven angelegt.
Die Energiestrategie sieht im Winter Stromimport vor. Weil die EU nun selbst zu wenig Strom hat, steht Frau Sommaruga im Regen. Sie versucht jetzt, sich mit Augenwischerei und Pseudomassnahmen zu retten. Deshalb hat sie die Winterwasserreserve gross verkündet. Unser Strompreis steigt dadurch nochmals um 1,2 Rappen pro Kilowattstunde. Total kostet das 700 Millionen Franken! Fazit: Die Winterwasserreserve ist teuer und bringt für die Schweiz keinen zusätzlichen Strom.
Aber sie sorgt dann für Strom, wenn wir ihn brauchen.
Die Strommenge kommt der Schweiz in keiner Weise zugute. Sie wurde längst ins Ausland verkauft.
Werner Luginbühl, der Chef der Stromregulierungsbehörde Elcom, sagt, das stimme nicht.
Fragen Sie doch bei Axpo und Alpiq nach!
Magdalena Martullo-Blocher (53) studierte Wirtschaft an der HSG. Nach verschiedenen Stationen trat sie 2001 in die Ems-Gruppe ein, die seit 2003 leitet. Heute ist die Tochter von alt Bundesrat Christoph Blocher (81) eine der erfolgreichsten Unternehmerinnen der Schweiz. Und seit 2015 auch SVP-Nationalrätin. Martullo-Blocher lebt mit ihrer Familie in Meilen ZH.
Magdalena Martullo-Blocher (53) studierte Wirtschaft an der HSG. Nach verschiedenen Stationen trat sie 2001 in die Ems-Gruppe ein, die seit 2003 leitet. Heute ist die Tochter von alt Bundesrat Christoph Blocher (81) eine der erfolgreichsten Unternehmerinnen der Schweiz. Und seit 2015 auch SVP-Nationalrätin. Martullo-Blocher lebt mit ihrer Familie in Meilen ZH.
Der Bund kann zudem verfügen, dass die vereinbarte Strommenge geliefert werden muss.
Das macht er aber nicht. Man würde Verträge mit dem Ausland brechen. Denn Sie vergessen die Stromnetzstabilisierung! Wenn Gas und damit auch Strom fehlt in Europa, dann wird unser Wasserstrom gebraucht, um das europäische Stromnetz zu stabilisieren.
Sind Sie sicher?
Ja, denn gemäss Ostral, der Organisation für die Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen, sollen erst die Schweizer Konsumenten sparen, bevor Auslandverträge nicht mehr eingehalten werden. Der Gewerbeverband fordert das anders. Er will, dass bei Sparzwang auch der Export von Strom reduziert werden muss.
Das wird der Bund nie machen.
Und ich verstehe ihn sogar. Schadenersatzforderungen und weniger Import von Strom und Gas könnten die Folgen sein. Wir sparen derzeit nur aus Solidarität mit Europa. Wir hätten noch genügend eigenen Strom. Im Winter müssen wir aber importieren, da sind wir darauf angewiesen, dass auch die Europäer sich an die Abmachungen halten. Die Energiestrategie 2050 mit der ungenügenden Eigenversorgung und der Importstrategie ist gescheitert. Das muss Frau Sommaruga endlich zugeben und kurz-, mittel- und langfristig die Versorgung angehen!
Wir bauen jetzt rasch erneuerbare Energie zu.
Auch hier betreibt man Augenwischerei, um die Bürger zu beruhigen. Man will sofort 100 grosse Solarkraftwerke in den Alpen hinpflastern. Ohne Einsprachemöglichkeit. Die Projekte sind aber noch vage. Selbst wenn man alle bauen würde, würden sie nur zwei Terawattstunden Strom produzieren. Unsere Atomkraftwerke liefern zehnmal mehr. Obendrein will man mit der Gletscher-Initiative auch noch alle fossilen Energien ersetzen: Öl, Gas und Benzin. Diese machen heute über die Hälfte unserer Energie aus. Wie soll das gehen? Mit der Gletscher-Initiative gehen wir auf dem Weg der Energiestrategie komplett in den Abgrund.
Wir müssen die Klimaerwärmung stoppen!
Ja, und man will den CO2-Ausstoss auf null senken. In der Praxis passiert genau das Gegenteil: grosse Ölturbinen und Gaskraftwerke. Europa produziert zurzeit knapp die Hälfte des Stroms wieder mit Kohle! Deshalb muss die AKW-Technologie wieder ernsthaft miteinbezogen werden.