Lohngleichheit bis 2030, aber
Funiciello wirft Berset «Teppichetagen-Feminismus» vor

Zum ersten Mal in der Schweizer Geschichte verabschiedet der Bund eine Gleichstellungsstrategie – wirkliche Freude macht sich aber bei den wenigsten Frauenverbänden breit. Viel zu wenig konkret sei der Plan.
Publiziert: 28.04.2021 um 17:14 Uhr
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Aktualisiert: 28.04.2021 um 17:38 Uhr
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Endlich Lohngleichheit – das möchte der Bund bis 2030 erreichen. So steht es in der am Mittwoch veröffentlichten Gleichstellungs-Strategie.
Foto: Getty Images
Noa Dibbasey

Dass Frauen und Männer nicht gleich viel verdienen, wissen alle. Dass das eigentlich nicht sein darf, ebenfalls. Trotzdem hat der Bund bisher Däumchen drehend darauf gewartet, dass sich die Lohnungleichheit von allein einstellt. Damit soll jetzt Schluss sein! Der Bundesrat will mit seiner Gleichstellungsstrategie dafür sorgen, dass die Lohndiskriminierung bis 2030 beseitigt ist.

Und der Bund will mit gutem Beispiel für die Privatwirtschaft vorangehen – in Sachen Lohngleichheit, aber auch bei der ausgewogenen Geschlechtervertretung in Gremien. Zudem soll die häusliche Gewalt bekämpft, mit Diskriminierung aufgeräumt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden. So will der Bundesrat die Gleichstellung von Frau und Mann bis ins Jahr 2030 «tatsächlich» verwirklichen.

«Strategie des Bundes tönt gut, bringt aber kaum etwas»

«Tönt gut – ist aber bloss lauter heisse Luft», kritisiert SP-Nationalrätin Tamara Funiciello (31) die «mutlose, lückenhafte und elitäre» Strategie aus der Küche ihres Genossen, Innenminister Alain Berset (49). Bei den meisten Punkten im Bundesplan handle es sich um Studien und Abklärungen, an aktiver Bekämpfung von Geschlechterungleichheit mangle es, findet sie. Wichtige Themen wie unbezahlte Care-Arbeit zum Beispiel würden kaum aufgenommen. «Wirklich konkret wird der Plan nur bei der Erhöhung des Frauenrentenalters.»

Damit nicht genug: Viele der Projekte seien längstens angedacht oder bereits in Planung – von einer wirklich neuen Strategie könne also nicht die Rede sein. «Vielmehr handelt es sich bei diesem Papier um eine Bestandesaufnahme», findet die Co-Präsidentin der SP Frauen. Und sogar dabei handle es sich grösstenteils um «Teppichetagen-Feminismus». «Für Büezerinnen hingegen passiert sehr wenig», begründet Funiciello ihre Kritik. Innerhalb von zehn Jahren sei viel mehr möglich.

«Berset hat uns nicht zugehört»

Zu wenig, findet auch der Verband Brava (ehemals Terre des Femmes Schweiz), der sich gegen häusliche Gewalt starkmacht. Die Kritik wiederholt sich: Obwohl die Strategie Gewalt anspricht, übernimmt der Bund in der Realität noch viel zu wenig Verantwortung. Allgemein könne man nicht von zeitgerechter Geschlechterpolitik sprechen – LGBTIQ-Themen werden zum Beispiel gar nicht behandelt. «Das entspricht nicht der Realität im 21. Jahrhundert», meint Sprecherin Simone Eggler.

Dass sich unter vielen NGOs und feministischen Verbänden Frustration über das Gleichstellungspapier breitmacht, habe seine Gründe. «Herr Berset hat uns nicht zugehört», findet Eggler von Brava. Der Innenminister habe bloss einen ausgewählten Kreis von Organisationen mit einbezogen. «So wurde extrem viel Wissen von feministischen NGOs und Kollektiven nicht beachtet», kritisiert sie. Es fehle noch an vielem.

Bertschy ist positiver

Alliance F hingegen begrüsst die Strategie – zum ersten Mal verabschiedet der Bund eine nationale Gleichstellungsstrategie. Aber auch für die Co-Präsidentin des Frauenverbands, Kathrin Bertschy (41), ist der Plan des Bundesrats noch zu wenig konkret. Und auch für sie könnte er weiter gehen: «Bei der Kinderbetreuung zum Beispiel fühle ich mich um 20 Jahre zurückversetzt.» Hier plant der Bundesrat lediglich, in einen Dialog mit Kantonen und Sozialpartnern zu treten.

Ähnlich sieht es der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB). Man begrüsst die Bemühungen des Bundesrats in Sachen Gleichstellung. Die vorgesehene Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 empfindet der Verband hingegen als einen «unsäglichen Affront».


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