Bürgerlich, amtsalt, im Stöckli und männlich? Dann ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass dieser Parlamentarier verrät, was er nebenher für seine Ämtli einnimmt: 73 Prozent der Frauen im Parlament deklarierten gegenüber der Online-Plattform Lobbywatch ihre Nebeneinkünfte, aber lediglich 49 Prozent der Männer seien dazu bereit, so die Plattform in einer Mitteilung. Damit sind die Politikerinnen viel transparenter als ihre männlichen Kollegen in den Eidgenössischen Räten.
Doch neben einer Geschlechts- ist es auch eine Amtszeitenfrage, wie transparent jemand ist: Je länger jemand im Parlament sitzt, desto weniger kann er sich für die neue Offenheit bei den Nebeneinkünften erwärmen. 67 Prozent aller Ratsmitglieder, die weniger als eine Legislatur im Bundeshaus sind, deklarieren ihre Einnahmen. Aber nur 52 Prozent derjenigen, die vier oder mehr Legislaturen absolviert haben.
Je jünger, desto offener
Und eben: Junge sind transparenter. Über alle Parteien hinweg gesehen, deklarieren von den unter 40-jährigen Ratsmitgliedern 74 Prozent ihre Einkünfte. Die geringste Transparenz herrscht bei den 51- bis 60-Jährigen. Nur 49 Prozent geben an, wie viel sie mit Mandaten verdienen.
Insgesamt verraten 58 Prozent aller National- und Ständeratsmitglieder, wie viel sie von Unternehmen und Verbänden verdienen. Auf der neusten Lobbywatch-Transparenzliste sind auch die Unterschiede zwischen den Fraktionen gross, vor allem aber gibt es eine Verschiebung: Die SVP hat den Freisinn in Sachen Transparenz überholt. Damit ist die FDP neues Schlusslicht.
143 der 246 Mitglieder der Räte sagen detailliert, wie viel sie mit ihren Jobs in Verwaltungsräten, Verbandsgremien oder Beiräten einnehmen. Zum Vergleich: Bei der letzten vollständigen Erhebung im Jahr 2018 gaben nur 25 Prozent an, wie viel sie verdienen. Vor den Parlamentswahlen vom 22. Oktober 2023 hatten 56 Prozent der Wiederkandidierenden ihre Einkünfte offengelegt. Die Lobbywatch-Seite bietet jedoch keine nutzerfreundliche Übersicht über die gesamten Nebeneinkommen der Ratsmitglieder, sondern die Zahlen müssen bei jeder einzelnen Parlamentarierin und bei jedem Parlamentarier bei jedem Ämtli nachgeschaut werden.
Grüne knapp vor SP
Unsere Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind nicht verpflichtet, ihr Einkommen anzugeben. Sie haben laut Gesetz einzig zu deklarieren, ob ein Mandat bezahlt ist oder nicht. Und Lobbywatch schränkt ein: Nicht in die Auswertung eingeflossen sei die berufliche Tätigkeit, wenn also Parlamentsmitglieder den Lohn ihrer Erwerbsarbeit nicht offenlegten.
Schaut man auf die verschiedenen Parteien, fallen die Grünen und die SP positiv auf: Mit 96 Prozent der Fraktionsmitglieder, die ihre Einkünfte offenlegen, sind sie am transparentesten. Mit 94 Prozent dicht gefolgt von der SP. Die Grünliberalen kommen noch auf 64, die Mitte-EVP-Fraktion auf 48 Prozent Transparenz.
Damit liegt die Mitte nicht mehr weit vor der SVP, bei denen Lobbywatch 41 Prozent transparente Parlamentarierinnen und Parlamentarier zählt. Zum ersten Mal, seit die Plattform die Zahlen erhebt, liegt nun die FDP ganz am Schluss der Rangliste. Lediglich 31 Prozent der Freisinnigen sind bereit, ihre Einkünfte offenzulegen.
Und was wenig überrascht: Der als konservativer geltende Ständerat ist deutlich weniger transparent als der Nationalrat. Bloss 39 Prozent der Ständeratsmitglieder machen die Einkünfte öffentlich, aber 63 Prozent der Nationalrätinnen und -räte. Kurzum: Eine grüne Nationalrätin wird mit grosser Wahrscheinlichkeit auskunftsfreudiger sein als ein Bürgerlicher im Stöckli.
Auf gutem Weg
Wie Lobbywatch schreibt, sie die Schweizer Politik endlich auf dem richtigen Weg in Sachen Transparenz. «Im Parlament setzt sich offenbar langsam die Erkenntnis durch, dass Ratsmitglieder ihre Einkünfte offenlegen sollten», so Otto Hostettler, Co-Präsident von Lobbywatch. «Der logische nächste Schritt wäre nun eine gesetzliche Regelung, damit alle Ratsmitglieder ihre Einkünfte deklarieren müssen», findet er. (pt)