Weniger Asylbewerber, bessere Integration, grösserer Anteil an anerkannten Flüchtlingen: Irgendetwas scheint das skandinavische Land mit knapp sechs Millionen Einwohnern besser zu machen als die Schweiz – oder zumindest anders.
- In der Schweiz wurden letztes Jahr 30’223 Asylgesuche gestellt. In Dänemark waren es mit 2355 zwölfmal weniger.
- Bei uns haben 28 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge einen Job. In Dänemark sind es über 60 Prozent.
- Die Anerkennungsquote von Flüchtlingen ist in Dänemark 30 Prozent höher als in der Schweiz (Stand 2023).
Wie haben die Dänen das geschafft?
Der Asyl-Wendepunkt
Auch in Dänemark vertraten die Sozialdemokraten in der Migrationspolitik lange eine Haltung der Willkommenskultur. Sie verloren deshalb Wahl um Wahl gegen die Rechten. Das führte bei den Linken zum Umdenken. Sie reformierten ihren Kurs radikal und ebneten damit ihre Rückkehr an die Macht im Jahr 2019. Heute ist Dänemark für seine restriktive Asylpolitik bekannt.
Der Sozialdemokrat Kaare Dybvad (40) ist Minister für Ausländer und Integration. Er betont: «Die dänische Gesellschaft ist offen gegenüber Ausländern, die legal hier sind. Alle anderen sollten zurückkehren.»
Warum ist Asyl ein Tabu?
Eine harte Asylpolitik ist für die meisten linken Politiker des Teufels und wird Rechtspopulisten überlassen – auch in der Schweiz. «Ich fand es schon immer seltsam, dass die Migrationskontrolle für viele Linke tabuisiert wird», sagt Morten Lisborg. Als Migrationsexperte hat er die Sozialdemokratische Partei Dänemarks beraten. Zuvor arbeitete er unter anderem für das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR.
Mehr zum Migrationsproblem
Lisborg zufolge ist der Erfolg der dänischen Einwanderungspolitik vor allem darauf zurückzuführen, dass die Bedeutung der Migrationssteuerung in den Mittelpunkt gerückt wurde. Anders als in einigen anderen europäischen Ländern habe die Politik in Dänemark schon früh die Bedenken der Öffentlichkeit in Bezug auf Einwanderung und Asyl erkannt.
Mit drei zentralen Massnahmen konnten die Dänen die irreguläre Asylmigration massiv zurückbinden.
Erfolgsrezept 1: Konsequente Rückführung
Wer abgewiesen wird, aber nicht freiwillig geht, kann bis zur Ausreise in einem spartanisch eingerichteten Rückkehrzentrum interniert werden. Das brachte Dänemark Kritik vom Anti-Folter-Komitee des Europarats ein. Migrationsberater Lisborg verteidigt die Abschiebezentren: «Oft leisten abgelehnte Asylsuchende Widerstand und weigern sich, freiwillig zurückzukehren. In solchen Fällen ist ein entschlossenes Vorgehen erforderlich.»
Mit kriminellen Asylsuchenden ohne Bleiberecht macht Dänemark kurzen Prozess: Wer ein Delikt mit Strafe von bis zu vier Monaten Gefängnis begeht, muss das Land sofort verlassen; bei schwereren Straftaten so schnell wie möglich nach der Verurteilung. Die dänische Strategie schlägt sich in Zahlen nieder: 2020 kamen noch 1155 Migranten in den Abschiebestatus, aktuell sind es unter 400.
Erfolgsrezept 2: Befristeter Aufenthalt
Anerkannte Flüchtlinge bekommen nicht automatisch einen unbefristeten Flüchtlingsstatus. Er ist vorerst auf zwei bis drei Jahre begrenzt. Für eine unbefristete Niederlassung gelten strenge Kriterien, und Asylsuchende können sie erst nach sieben bis acht Jahren beantragen. Das schmälert Dänemarks Attraktivität als Asylland. Dafür sollen die wenigen, die bleiben dürfen, umso besser integriert werden (Sprache, Job).
Erfolgsrezept 3: Restriktiver Familiennachzug
Ein Grund für die starke Zunahme von Migration in Dänemark war der Familiennachzug von Menschen aus dem Nahen Osten, Südasien und Afrika. Das konnte die Regierung mit der sogenannten 24-Jahre-Regel stark zurückbinden. Alle Personen unter 24 dürfen keinen Antrag stellen, Familienangehörige ins Land zu holen.
Dänemark zahlt einen Preis dafür: Um Diskriminierung zu vermeiden, gilt die Regel auch für die Dänen. Heisst: Auch sie dürfen Freundin oder Ehepartner aus einem anderen Drittstaat wie etwa den USA nicht einfach in ihre Heimat mitbringen. Diese Massnahme zeige die Bereitschaft Dänemarks, gewisse Kosten zu tragen, um die Kontrolle über die Einwanderung zu behalten, so Lisborg.
Erfolgsrezept 4: Sonderrechte mit EU ausgehandelt
Der Schlüssel zu Dänemarks konsequenter Asylpolitik sind Sonderrechte, die sich der Kleinstaat mit der EU im Kontext der Maastrichter Verträge in den 90er-Jahren ausgehandelt hat. So hat Dänemark das Recht, seine eigene Asylpolitik unabhängig von den EU-Vorgaben zu gestalten. Dies bedeutet: Dänemark ist nicht verpflichtet, die gemeinsamen Asylverfahren der EU zu übernehmen, und kann stattdessen eigene Regeln einführen.
Für Migrationsexperte Lisborg ist eines klar: «Das derzeitige Asylsystem ist ineffektiv, kostspielig und veraltet. Es stellt zunehmend ein Sicherheitsrisiko dar, das Europa destabilisiert.» Bei der Migration gehe es nicht nur um die Migranten und Flüchtlinge, sondern auch um die einheimischen Gemeinschaften, deren Alltag sich durch die Massenmigration erheblich verändere. «Es ist wichtig, hier ein Gleichgewicht zu finden», sagt Lisborg.