Heute Dienstagabend versammeln sie sich wieder im Berner Hotel Bellevue: Politiker, Journalistinnen und alle, die hoffen, dass die Bundesratswahlen am Mittwochmorgen doch mehr Spannung versprechen als bislang erwartet. Ganz unberechtigt ist diese Hoffnung nicht – in den letzten 30 Jahren machte die «Nacht der langen Messer» ihrem Namen mehrere Male Ehre.
Das erste Messer kam von Stich
1983 wurden die Stunden vor der Wahl zur Nacht der Intrigen, in der Favoriten hinterrücks «erstochen» wurden. Damals wollte die FDP die erste Frau im Bundesrat verhindern und suchten wilde Kandidaten gegen die offizielle SP-Bewerberin Lilian Uchtenhagen (1928–2016). Fast alle sagten empört ab – bis auf Otto Stich (1927–2012), der am nächsten Morgen auch prompt gewählt wurde. Uchtenhagen wurde ein veritables Steakmesser in den Rücken gerammt.
Das mit Sicherheit längste Messer kommt in der Nacht vom 11. Dezember 2007 zum Einsatz. Schon Wochen vorher schmiedet Mitte-links Pläne, um Justizminister Christoph Blocher (83) abzuwählen. Besiegelt wird das Komplott wenige Stunden vor der Wahl in der «Bellevue»-Bar. Die Bündner Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf (67) sollte anstelle von Blocher in die Landesregierung gewählt werden. Der Rest ist Geschichte.
Ein Rüstmesser reichte nicht
Eher ein Rüstmesser gab es in der Nacht vor der Wahl von Bundesrat Ueli Maurer (73) im Jahr 2008 – um ein Haar wäre stattdessen der Sprengkandidat Hansjörg Walter (72) zum SVP-Bundesrat gewählt worden. Dem Thurgauer fehlte nur eine Stimme – seine eigene.
Damit verglichen dürfte es 2023 eher einen Sparschäler geben. Doch wer weiss? Auch bei Uchtenhagen und Blocher war die Öffentlichkeit ahnungslos.