Es ist schnell passiert: Eine beim Onlinehändler Brack bestellte Drohne für 400 Franken erreicht den Käufer nicht. Die Post sagt, der Pöstler habe das Paket am Hauseingang abgestellt. Der Kunde reklamiert. Doch Brack lehnt die Haftung dafür ab und beruft sich auf seine allgemeinen Geschäftsbedingungen: «Die Haftung geht auf den Kunden über, sobald die Bestellung unser Lager verlassen hat.» Auch die Post lehnt einen Schadenersatz ab. «Unsere GPS-Daten zeigen, dass der Pöstler das Paket an der richtigen Adresse abgegeben hat», sagt der Hotline-Angestellte.
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«Solche Fälle erreichen uns häufig», sagt die Nationalrätin Sophie Michaud Gigon (Grüne). Sie ist die Geschäftsleiterin des Westschweizer Konsumentenverbandes (FRC). Kundinnen und Kunden können wenig tun. Bis heute gilt in der Schweiz die Regel, die aus dem zweitausend Jahre alten römischen Recht stammt: Mit dem Kauf geht das Risiko an die Kundschaft über. Das gilt selbst im Versandhandel, wo die Ware nach der Zahlung nicht physisch ausgehändigt wird.
Käuferinnen und Käufer tragen das Risiko
Das Bundesgericht machte nach einem Gerichtsfall im Jahr 2002 das Parlament auf dieses Missverhältnis des Risikos für die Kundschaft aufmerksam. Damals ging es witzigerweise um Inhaberaktien einer Firma, die im Versand verloren gegangen waren. Die Käuferin trug das Risiko ab dem Zeitpunkt des Kaufs und ging leer aus. Diese Regel im Schweizerischen Obligationenrecht führte unter anderem dazu, dass Lieferversicherungen boomen, die dann bezahlen, wenn ein Paket verloren gegangen ist.
«Das wollen wir jetzt ändern», sagt Michaud Gigon. Betroffen seien auch Firmen. Sie hat nun einen parlamentarischen Vorstoss eingereicht, der den Bundesrat dazu auffordert, die Rechtslage zu ändern: «Der Versandhandel haftet bis zur Auslieferung an die Kundin», sagt Michaud Gigon.
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Das Vorbild ist die Regulierung in der EU: Dort haftet seit 2011 der Versandhandel, bis das Paket übergeben ist. «Die Hauptschwierigkeiten für die Verbraucherinnen und Verbraucher und eine der Hauptquellen für Konflikte mit Unternehmern betreffen die Lieferung von Waren, etwa wenn Waren beim Transport verloren gehen oder beschädigt werden oder zu spät oder unvollständig geliefert werden», begründete die EU-Kommission die Rechtsänderung.
Jährlich werden Güter im Wert von 12 Milliarden Franken im Versandhandel bestellt. Laut dem Bundesamt für Statistik gibt es in jedem siebten Fall Probleme bei der Abwicklung.
Die Verbände der Versandhändler, Swiss Retail Federation und IG Detailhandel, äussern sich auf Anfrage nicht zum Vorstoss der Nationalrätin. Sie wollen erst die Antwort des Bundesrates abwarten.
Die Versandhändlerin Brack, die zur Firma Competec gehört, lässt ausrichten, dass ein Verlust «im Verhältnis sehr selten» passiere. Auch gebe es kein besonderes Verlustmuster, etwa, dass teure Pakete häufiger verloren gingen als günstige.
Der Exponent einer Konsumentenschutzorganisation, der anonym bleiben möchte, erwähnt gegenüber der «Handelszeitung», dass es für einen kleinen Teil der Verluste im Versandhandel «gewisse Indizien für organisierte Kriminalität» gebe.
«Gestohlene Identität» als häufigstes Problem
Die Chefjuristin des FRC, Malika Pessard, sagt, dass das häufigste Problem beim Kauf im Internet die «gestohlene Identität» sei. Sprich: Dass sich jemand für eine andere Person ausgibt, die dann eine Rechnung erhält für etwas, das sie nie bestellt hat.
Brack kennt das Phänomen und versucht, dieser Betrugsvariante zuvorzukommen: «Bisweilen weisen Produkte oder E-Mail-Adressen auf einen potenziellen Betrugsfall hin. So erkennen wir dies in einigen Fällen bereits bei der Bestellung und können den Betrugsversuch unterbinden.» Insgesamt gesehen, sei Betrug aber «sehr selten», betont die Medienstelle von Brack.
Die Händlerin bestätigt hingegen, dass statistische Hinweise für gehäufte Verluste oder Diebstähle an gewissen Orten vorlägen. «Es gibt Zustellregionen, die eher auffallen als andere. Hier wissen wir, dass die Post Erfahrungswerte hat und entsprechend handelt.» Wo das sei, will Brack «aus Datenschutzgründen» nicht verraten.
Missbrauch durch Kundschaft
Was ebenfalls vorkommt, ist, dass die Kundschaft das Paket empfangen hat, es dennoch als verloren meldet und dann eine Rückforderung stellt. Zahlen dazu gibt es nicht. Die Brack-Medienstelle weist darauf hin, dass sie bei einem solchen Verlust eine Diebstahlsanzeige bei der Polizei verlangt. Dies bilde eine gewisse Hürde und schütze vor Missbrauch.
Im eingangs geschilderten Fall der Drohne insistierte der Kunde darauf, dass er das Paket nie erhalten habe. Brack übte seinerseits Druck auf die Post aus. Diese übernahm den Schaden letztlich aus Kulanz.