Schon wieder baut die Schweizerische Post beim Service public ab. 2028 will der gelbe Riese nur noch 600 Poststellen selbst betreiben – nochmals 170 weniger als heute und 1400 weniger als noch zur Jahrtausendwende. Dabei hatte Postchef Roberto Cirillo (52) noch 2020 versprochen, dass bei 800 Filialen Schluss sein soll mit Abbau.
Entsprechend harsch fallen die Reaktionen auf die neuerliche Ankündigung aus. Der Luzerner SP-Nationalrat David Roth (39) zeigt sich empört über die Nachricht am Mittwochmorgen: «Die Post macht dreistellige Millionengewinne, die finanzielle Zukunft ist sicher. Dass sie jetzt so viele Poststellen abbauen will, ist unfair gegenüber der Bevölkerung.»
Rösti soll Pläne stoppen
Die Schweizerinnen und Schweizer hätten Cirillos Versprechen vom Festhalten an den 800 Poststellen geglaubt. «Und jetzt fällt er wieder in alte Zeiten zurück und arbeitet auf Abbruch.» Offenbar wolle die Konzernleitung der Post die hängigen parlamentarischen Vorstösse auskontern und bereits Fakten schaffen. «Die Politik wird sich nicht durch die Manege ziehen lassen.» Roth glaubt, dass die von der Post am Mittwoch geäusserten Strategie noch weitere politische Diskussionen auslösen werde.
Gelegenheit dazu wird es bald geben. Noch vor der Sommerpause wird Postminister Albert Rösti (56) seine Pläne für die Grundversorgung, die die Post in Zukunft erbringen soll, vorstellen. Die SP fordert Rösti denn bereits auf, gegen die neuen Postpläne vorzugehen.
Auch Grünen-Nationalrat Michael Töngi (57) zeigt sich irritiert darüber, dass die Post kurz vor dem Entscheid des Bundesrats Faits accomplis schaffe. In einem bereits am Mittwoch eingereichten Vorstoss stellt er die Frage in den Raum, ob eine Diskussion über den Service Public erst auf eine Neuausrichtung 2030 sinnvoll sei.
Abbau sei «inakzeptabel»
Alarmstimmung herrscht auch bei der Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Berggebiete. Dort fürchtet man, dass einmal mehr die Randregionen vom Abbau betroffen sein werden. «Insbesondere in den Berggebieten und ländlichen Räumen wurde das Netz an eigenbetriebenen Poststellen bereits zu stark ausgedünnt», heisst es von dort. Ein weiterer Abbau in diesen Regionen sei daher inakzeptabel.
Die Post begründet den Abbau mit dem fehlenden Kundenbedürfnis. Das sei eine Realität, sagt Mitte-Nationalrat Martin Candinas (43) zu Blick. Die Kundenorientierung dürfe keine Floskel bleiben. «Wir haben schon heute Gemeinden, die gute Erfahrungen gemacht haben mit den Post-Agenturen in den Dorfläden.» Wichtig sei, dass diese auch in Zukunft dasselbe Angebot bieten, wie die Poststellen, so Candinas. Er nehme da die Post beim Wort. «Die Post gehört der Bevölkerung und muss dieser dienen.»
Alternativen mit weniger Dienstleistungen
Genau da setzen die Berggebiete aber ein Fragezeichen. Filialen mit Partnern oder der Hausservice böten nicht den gleichen Umfang an Dienstleistungen wie die eigenbetriebenen Poststellen.
So seien eigenbetriebene Poststellen für den Zahlungsverkehr und die Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld sehr wichtig. Dies auch vor dem Hintergrund, dass immer mehr Bankfilialen in ländlichen Räumen geschlossen und Bankomaten abgebaut würden.