Küsse werden mit Hass quittiert
Neue Studie zeigt Ausmass der Diskriminierung von LGBTIQ+Menschen

LGBTIQ+ Personen in der Schweiz erleben häufig Diskriminierung und Gewalt. Jede dritte Person berichtet von Übergriffen in den letzten fünf Jahren. Die Dunkelziffer ist hoch, da viele Vorfälle gar nicht erst gemeldet werden.
Publiziert: 10:00 Uhr
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Ein Kuss unter Männern kann ausreichen, um beschimpft zu werden.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

  • Studie zeigt: LGBTIQ+ Personen in der Schweiz erleben häufig Diskriminierung
  • Diskrepanz zwischen theoretischer Zustimmung und praktischer Akzeptanz im Alltag
  • Jede dritte LGBTIQ+ Person erlebte körperliche oder sexuelle Übergriffe in 5 Jahren
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Eine neue Studie zeigt, was sich etwa Lesben, Schwule oder Transmenschen in der Schweiz so alles gefallen lassen müssen: Beleidigungen, Bedrohungen und unangemessenes Anstarren sind für viele mehr oder weniger alltäglich.

«Schockierend ist, dass etwa jede dritte Person in den letzten fünf Jahren körperliche oder sexuelle Übergriffe erlebt hat – die meisten dieser Vorfälle werden jedoch nie gemeldet, die Dunkelziffer ist hoch», sagt Marc Schmid von der Organisation Queeramnesty. Diese hatte mit anderen Vereinigungen beim Meinungsforschungsinstitut GFS Bern eine repräsentative Studie in Auftrag gegeben. Diese bringt zutage, dass in der Schweiz die Diskriminierung von LGBTIQ+ Personen noch immer zum traurigen Alltag gehört.

«Zwar haben die zunehmende öffentliche Sichtbarkeit von LGBTIQ+ Personen sowie Fortschritte in Recht und Gesetz dazu beigetragen, Vorurteile, Intoleranz und Gewalt zu reduzieren», so Schmid weiter.

Doch gerade trans und intergeschlechtliche Personen berichten von einer Zunahme von erlebten Vorurteilen und Gewalt. Die Hauptgründe für die Verschlechterung der Situation sehen die Betroffenen häufig in polarisierenden und kontroversen Aussagen von Politik und politischen Parteien.

Rechte und Religiöse sind ablehnender

«Insbesondere männliche, ältere, politisch rechtsstehende Personen und Menschen, die religiös sind, neigen dazu, sich weniger mit den Anliegen und Herausforderungen von LGBTIQ+-Menschen auseinanderzusetzen und ablehnende Haltungen zu zeigen», sagt Politexpertin Cloé Jans, vom Meinungsforschungsunternehmen GFS. Generell sei die Meinung relativ weit verbreitet, dass LGBTIQ+-Themen zu viel Platz im öffentlichen, medialen und politischen Diskurs erhalten würden.

Eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer anerkenne zwar das Ausleben der eigenen Sexualität als Menschenrecht, die Hälfte der Bevölkerung stört sich aber gleichzeitig daran, wenn sich zwei Männer auf offener Strasse küssen. «Zwischen theoretischer Zustimmung zu Werten und praktischer Akzeptanz im Alltag herrscht eine gewisse Diskrepanz und Widersprüchlichkeit», so Schmid von Queeramnesty.

Befragt wurden für die Auswertung Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz, aber auch die LGBTIQ+-Community. Bei Letzterer gab ein Drittel der Befragten an, bestimmte Plätze oder Orte zu meiden – «aus Angst, aufgrund ihrer sichtbaren Zugehörigkeit zur
LGBTIQ+-Community diskriminiert oder angegriffen zu werden».

Diese Zurückhaltung ist offensichtlich nicht unbegründet, wie die Bevölkerungsbefragung zeigt. Insgesamt 36 Prozent der Bevölkerung gaben nämlich an, dass Menschen ihre sexuelle Orientierung nur zu Hause und nicht in der Öffentlichkeit zeigen sollten.

Schweiz schneidet im Vergleich schlecht ab

Die Befragung der Community lässt auch den Vergleich der Schweiz mit anderen europäischen Staaten zu. Das unschöne Ergebnis: LGBTIQ+ Personen berichten hierzulande häufiger von Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen als Befragte in der EU.

«Wir fordern, dass Behörden und Gesellschaft ein klares Zeichen setzen, dass Gewalt und Diskriminierung nicht länger toleriert wird», fordert Frédéric Mader vom Transgender Network Switzerland in einer Medienmitteilung.

Der Bundesrat und das Parlament sollen sich explizit für die bessere Akzeptanz der betroffenen Personen aussprechen und konkrete Massnahmen ergreifen «Übergriffe gegen LGBTIQ+-Personen müssen konsequent strafrechtlich verfolgt und die Täterschaft zur Verantwortung gezogen werden», so Mader. Betroffene sollen besser betreut und geschützt werden.

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