Krisensichere Kriegslogistik fehlt bis 2035
Nächstes IT-Debakel bei Armee

Die Schweizer Armee zieht bei weiterem IT-Projekt die Reissleine. Die geplante SAP-Lösung für robuste Militärlogistik funktioniert nicht wie erhofft. Politiker warnen vor Sicherheitslücken und finanziellen Risiken für die Schweiz.
Publiziert: 23.10.2024 um 09:34 Uhr
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Aktualisiert: 23.10.2024 um 10:19 Uhr
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Der Armee fehlt es bis 2035 an einer krisensicheren Logistik.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Schweizer Armee-IT-Projekt gestoppt, Software nicht robust genug
  • Projektabbruch auch wegen Abhängigkeit der Software von der Cloud
  • 240 Millionen Franken für SAP-Lösung bewilligt, aber gescheitert
  • Neue Lösungen auf Digitalisierungsplattform NDP kosten Zeit und Geld
  • Bericht des Bundesrats zum Projektabbruch bis Juni 2025 erwartet
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Es ist ein weiteres IT-Debakel für die Schweizer Armee: Wie SRF berichtet, wurde ein millionenschweres Projekt zur Verbesserung der militärischen Logistik abrupt gestoppt. Der Grund: Die Software ist nicht robust genug und funktioniert nicht unabhängig vom Ausland – ein Muss für Krisenzeiten.

Ursprünglich bewilligte das Parlament 2020 satte 240 Millionen Franken für eine SAP-Lösung namens «ERP Systeme V/ar». Diese sollte die Armee befähigen, in allen Lagen einsatzbereit zu sein – von der Mobilmachung bis zur Munitionsverwaltung. Doch nun zeigen Parlamentsprotokolle: Das Vorhaben ist gescheitert. Statt die sogenannte «Realisierungseinheit 8» umzusetzen, wurde das Programm nur bis zur vorletzten Realisierungseinheit 7 fertiggestellt.

System ist abhängig von der Cloud

Gegenüber SRF bestätigt die Armee, dass Armee-Chef Thomas Süssli (58) im Juni 2023 den Entscheid gefällt habe. Die Gründe für das Scheitern sind vielschichtig. Ursprünglich ging die Armee davon aus, dass das SAP-Modul «Disconnected Operations» eine Lösung für ein «robustes und resilientes militärisches Logistiksystem» sei. Diese Annahme erwies sich jedoch als Trugschluss. Zudem erklärte Divisionär Alexander Kohli (57), Chef Armeestab, bereits im April gegenüber der zuständigen parlamentarischen Aufsichtskommission: Man habe zu spät gemerkt, dass das System auch im Ernstfall von ausländischen Clouds abhängig sei.

Die Armee sucht nun nach Alternativen, die auf der neuen Digitalisierungsplattform NDP betrieben werden sollen. Doch neue Software in die Plattform zu integrieren, kostet viel Zeit und Geld. Bereits das zurzeit suspendierte, neue Luftüberwachungssystem wurde unter anderem durch diese Aufwände doppelt so teuer. Besonders brisant: Die Armee steht jetzt ohne krisensichere Logistik da. Ein Ersatz dürfte frühestens in zehn Jahren einsatzbereit sein. «Wir werden das Thema erst nach 2035 angehen», stellte Divisionär Kohli (57) vor der Aufsichtskommission klar.

Parlament zeigt sich besorgt über Armee-Projekte

Der Abbruch des Projekts stiess auch die Mitglieder der Finanzkommissionen vor den Kopf. Sie forderten in einem Brief von den Sicherheitspolitikerinnen und -politikern eine Prüfung: Stellt die verzögerte Einführung einer Kriegslogistik ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz dar?

Genauso besorgte sie die massiven finanziellen Folgen. Die Kosten für die sieben grossen Informatik- und Kommunikationsprojekte im Verteidigungsdepartement belaufen sich auf 4,2 Milliarden Franken. Kritisch sehen die Finanzpolitiker, dass «ein umfassendes Projektportfolio-Management des VBS bis heute nicht vorliegt». Das Verteidigungsdepartement wehrt sich gegenüber SRF gegen den Vorwurf: Ein solches sei sowohl auf Stufe Gruppe Verteidigung als auch auf Departementsstufe aufgebaut.

Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates fordert nun Klarheit. Ein Bericht des Bundesrats zum Projektabbruch soll bis Juni 2025 vorliegen. Bis dahin bleibt die Schweizer Armee in Sachen Logistik verwundbar – ein Zustand, der in Zeiten geopolitischer Spannungen besonders heikel ist.

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