«Sie wurde ökonomisch und politisch vernichtet»
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Kopp-Biograf René Lüchinger:«Sie wurde ökonomisch und politisch vernichtet»

Kopp-Biograf René Lüchinger plaudert aus dem Nähkästchen
Die Telefonnotiz im Wäschekorb

Als Basis für «Elisabeth Kopp. Zwei Leben – ein Schicksal. Aufstieg und Fall der ersten Bundesrätin der Schweiz» hat Journalist René Lüchinger viel Zeit auf dem Sofa von Elisabeth Kopp verbracht. Ein paar Anekdoten aus dieser Zeit.
Publiziert: 15.04.2023 um 14:23 Uhr
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Aktualisiert: 15.04.2023 um 19:18 Uhr
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Elisabeth Kopp 2010 in ihrem Zuhause in Zumikon ZH.
Foto: Keystone
René Lüchinger*

Einmal kam Elisabeth Kopp mit einem Wäschekorb voller Papier aus ihrem Keller: persönliche Unterlagen aus ihrer Zeit im Bundesrat. Darin fand sich eine stenografische Notiz, die ihr Gatte Hans W. Kopp angefertigt hatte – Gewohnheit eines Juristen. Sie datierte vom 27. Oktober 1988 und hatte jenes Telefonat zum Gegenstand, das die EJPD-Chefin an diesem Morgen mit ihm geführt hatte und schliesslich zum Rücktritt der Bundesrätin führen würde. So liess sich rekonstruieren: Um 8.20 Uhr rief sie ihren Gatten in dessen Anwaltskanzlei Kopp & Partner an der Kurhausstrasse in Zürich an. Das Gespräch dauerte kaum fünf Minuten. Elisabeth Kopp kam sofort zur Sache: Es gebe Gerüchte, dass die im Noten- und Goldhandel tätige Shakarchi Trading, in deren VR Hans W. Kopp sass, in einen Geldwäschereifall verwickelt sei, während sie selber als Justizministerin gerade an einem Gesetz gegen diesen Missbrauch arbeite. Der Gatte versuchte, seine Frau zu beschwichtigen, konstatierte, er sei ohnehin «auf dem Weg hinaus» aus diesem VR, den Rücktritt habe er bereits angekündigt. «Gottlob», entgegnete die Gattin, er solle das sofort tun, damit keine weitere «politische Front» entstehe. Und er solle doch noch rasch ihre persönliche Mitarbeiterin Katharina Schoop anrufen, die Näheres über die Gerüchte wisse, weil diese auch ihre Chefin darüber ins Bild gesetzt hatte. Hans W. Kopp versprach, auch dies zu tun, er war es gewesen, der seiner Gattin seinerzeit diese Juristin zur Anstellung als persönliche Mitarbeiterin empfohlen hatte.

Spanische Nüssli

Hans W. Kopp war der erste Bundesratsgatte der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Wie würde er diese Rolle ausfüllen? Mit einem Lächeln auf den Lippen erzählte Elisabeth Kopp diese Geschichte: Bei einem der ersten Empfänge als neue Bundesrätin habe Hans W. Kopp wie selbstverständlich den Gastgeber gegeben. Er schnappte sich Weinflasche und Gefässe voller spanischer Nüssli und bewirtete die Gäste. Bis ein eifriger Weibel aufkreuzte, ihm die Nüssli mit den Worten entwendete, das dürfte er nicht tun, das seien Bundesratsnüssli!

Aphorismen und Schüttelverse

Der im Jahr 2009 verstorbene Ehegatte war immer präsent in unseren Gesprächen. Es waren seine Bücher in den Regalen, die Fotos auf den Kommoden, die dezenten Worte der Zuneigung, welche die alt Bundesrätin immer wieder in ihren Redefluss einstreute. Und auch die Aphorismen oder Schüttelverse über Politik und Geschichte aus der Feder Hans W. Kopps, die sie bisweilen vorgelesen hat. Etwa diesen:

«Vor Wut der Vogt, der satte, platzte.
Als Tell auf seine Platte satzte.
Das Vorbild dieser Tellenwahl
Hilft Schweizern stets im Wellental.»

Keine bezahlte Arbeit mehr

Nach dem Rücktritt gab es für Elisabeth Kopp noch eine kurze Zeit der Hoffnung für ein Berufsleben nach dem Fall. Sie erzählte von dem Präsidenten einer grossen Schweizer Firma, der sie angerufen hatte, weil er endlich eine Frau in seinem Verwaltungsrat haben wollte und seine Wahl auf Elisabeth Kopp gefallen war. Das hätte Elisabeth Kopp gerne gemacht. Als sie später wegen möglicher Amtsgeheimnisverletzung angeklagt wurde, rief der Präsident wieder an. Mit grossem Bedauern, sagte dieser, müsse er sein Angebot zurücknehmen. Erste weibliche Verwaltungsrätin in der Geschichte dieses Unternehmens wurde eine Parteikollegin und Elisabeth Kopp wurde vor Gericht freigesprochen. Eine bezahlte Arbeit hat sie nie mehr erhalten.

*René Lüchinger, ehemaliger Blick-Chefredaktor, ist Autor des Buches «Elisabeth Kopp. Zwei Leben – ein Schicksal. Aufstieg und Fall der ersten Bundesrätin der Schweiz». Es ist 2014 im Stämpfli Verlag erschienen.

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