Elisabeth Kopp hatte Geschichte geschrieben. Am 2. Oktober 1984 war die FDP-Politikerin in den Bundesrat gewählt worden. Ein Meilenstein für die Gleichstellung in der Schweiz. 1989 musste sie aber bereits wieder zurücktreten. Ein Telefonat mit ihrem Mann war ihr zum Verhängnis geworden.
Kopp hatte ihren Mann über laufende Ermittlungen wegen Geldwäscherei gegen eine Firma informiert, deren Verwaltungsratspräsident er war. Sie hatte das Gespräch erst noch zu vertuschen versucht. Es folgte eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) – und ein Skandal, der die Schweiz noch viel stärker erschütterte.
Der Fichenskandal war perfekt
Die PUK entdeckte bei der Durchleuchtung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) rund 900’000 Karteikarten in der Registratur der politischen Polizei. Der Fichenskandal war perfekt.
Die Empörung in der Bevölkerung angesichts der Bespitzelung war gross: So demonstrierten am 3. März 1990 in Bern rund 30'000 aufgebrachte Menschen gegen den «Schnüffelstaat». Ab 1990 durfte jede Bürgerin und jeder Bürger Einsicht in die Fichen und Dossiers der Bundesanwaltschaft nehmen. Rund 300'000 Menschen machten von diesem Recht Gebrauch. Auch 5560 Dossiers wurden eingesehen.
«Ohne Schnüffelpolizei»
In den Fichen fanden die Betroffenen beispielsweise detaillierte Angaben über ihre Reisen in Oststaaten. Auch Kontakte zu Menschen hinter dem damaligen «Eisernen Vorhang» wurden minutiös, teilweise aber auch sehr fehlerhaft auf den Karten festgehalten. Es ging soweit, dass Menschen wegen der Fichen - von deren Existenz sie nichts wussten - Anstellungen verweigert wurden.
Im Oktober 1991 wurde mitten in der Fichenaffäre die Initiative «S.o.S. Schweiz ohne Schnüffelpolizei» eingereicht, mit der die Abschaffung der politischen Polizei gefordert wurde. In der Volksabstimmung vom 7. Juni 1998 wurde die Volksinitiative dann allerdings mit einer Nein-Mehrheit von 75 Prozent klar abgelehnt.
Die Dossiereinsicht wurde Mitte 1996 durch den Fichendelegierten René Bacher abgeschlossen. 35 Millionen Franken waren dafür aufgewendet worden. Die Dokumente wurden mit einer 50-jährigen Sperrfrist belegt und ins Bundesarchiv überführt. (SDA)