Konsumentenschutz kritisiert ÖV-Billettsystem
«Ticketpreis droht Blackbox zu werden»

Die ÖV-Branche prüft derzeit ein neues Ticketsystem. Noch bevor ein offizielles Resultat vorliegt, warnt der Konsumentenschutz.
Publiziert: 21.11.2023 um 15:12 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2023 um 11:08 Uhr
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«Der Ticketpreis droht zur Blackbox zu werden», warnt Konsumentenschützerin Sara Stalder.
Foto: STEFAN BOHRER

Ab Dezember werden die ÖV-Tickets teurer, im Schnitt um 4,3 Prozent. Aber damit nicht genug. «Der Ticketpreis droht zur Blackbox zu werden», warnt die Konsumentenschützerin Sara Stalder (57). Denn die Alliance Swisspass erprobt ein neues Tarifsystem, genannt «MyRide».

Dieses soll den Ticketverkauf auf den Kopf stellen. Während ÖV-Nutzende heute noch vor jeder Fahrt ein Billett kaufen oder im Besitz eines Abos sein müssen, wäre dies künftig nicht mehr nötig. Stattdessen soll eine App die ÖV-Reise aufzeichnen. Gezahlt wird erst danach. Wobei die Abrechnungen nach einer Woche, einem Monat oder sogar erst nach einem Jahr erfolgen könnten.

Schon ab 2027?

Momentan läuft die Testphase bis Ende 2024. Ist die Branche davon überzeugt, könnte es frühstens ab 2027 flächendeckend eingeführt werden. Ziel des Vorhabens ist, die ÖV-Welt weiter zu digitalisieren. Ein zu begrüssendes Anliegen, findet der Konsumentenschutz und der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS). Doch die Verbände bleiben skeptisch.

Bei «MyRide» würde ein Algorithmus auf dem Smartphone den Ticketpreis berechnen. Wer häufiger den ÖV nutzt, müsste weniger bezahlen. Und zu Stosszeiten wäre eine Fahrt aufgrund hoher Nachfrage teurer. Aus Sicht der Verbände ist das unhaltbar. Es widerspreche dem Grundsatz, wonach für Reisende in vergleichbarer Lage vergleichbare Bedingungen gelten.

Fahrt ins Blaue – auch beim Preis?

«Wer bestimmt und kontrolliert den Algorithmus, der die Preise ausspuckt?», fragt Stalder. Als Folge wären die Tarife maximal unberechenbar für die Fahrgäste. Eine Reise ins Engadin wäre preislich gesehen eine Fahrt ins Blaue. Vor dem Betreten des Zuges wisse man nicht, wie viel die Reise kosten werde.

Zudem könne die Abkehr von Papierbilletten gewisse Personen benachteiligen. Auch Menschen ohne Swisspass oder Smartphone – wie Kinder, ältere Menschen oder Touristen – sollten nach Ansicht der beiden Verbände den ÖV wie bisher nutzen können.

Preisanfrage soll möglich sein

Daran soll sich aber auch nichts ändern, versicherte Nick Balmer, der Projektleiter von «MyRide», im April gegenüber der «NZZ». Man wolle Kunden ohne Smartphone nicht verlieren und es solle weiterhin auch einzeln gelöste Tickets geben. Auch die Preisanfrage vor Antritt der Reise solle künftig möglich sein.

Doch Konsumentenschützerin Stalder gibt sich misstrauisch. «Es ist unklar, was es geben soll.» Ihr sei wichtig, dass der digitale und analoge Verkauf gleichwertig sei. «Stattdessen werden schon heute Billettautomaten abgebaut.» Ausserdem kritisieren die Verbände, dass Kunden den Standort übermitteln und Zahlungsmittel hinterlegen müssen. Das sei zwar legitim, wenn es um die Sicherheit der Kundinnen gehe. Aber nicht, wenn diese Daten zu Werbezwecken verwendet – oder sogar verkauft werden. (rba)

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