Konjunkturimpuls nach Lockdown
Parmelin prüfte auch Helikoptergeld

Die zweite Corona-Welle macht der Wirtschaft zu schaffen. Schon im Frühling prüfte das Wirtschaftsdepartement Stabilisierungsmassnahmen, um der Wirtschaft in einer Rezession notfalls einen Implus geben zu können.
Publiziert: 05.11.2020 um 09:36 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2020 um 12:53 Uhr
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Die Corona-Verschärfungen in der Schweiz bremsen den Konsum und damit die Konjunktur.
Foto: keystone-sda.ch
Ruedi Studer

«Es gibt keine Tabus», verkündete SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmlin (60) im März nach dem ersten Corona-Wirtschaftsgipfel. Innert Kürze verschärfte sich damals die Situation – und Parmelins Departement half grosszügig mit einer Ausweitung der Kurzarbeit. Hinzu kamen die Erwerbsersatz-Ausdehnung von SP-Sozialminister Alain Berset (48) sowie Corona-Notkredite von SVP-Finanzminister Ueli Maurer (69). Das Parlament packte zudem eine Härtefallregelung für stark betroffene Unternehmen oben drauf – und streitet noch um einen Geschäftsmieten-Erlass.

Angesichts der zweiten Pandemie-Welle stehen aber bereits weitere Forderungen im Raum: Der Gewerkschaftsbund pocht auf eine «volle Lohngarantie für die tiefen Einkommen». Zudem sollen fünf Milliarden an überschüssigen Krankenkassen-Reserven an die Versicherten ausgeschüttet werden, um die Kaufkraft zu stärken und damit einen Konjunktur-Impuls auszulösen. Und SP-Co-Chefin Mattea Meyer (32) drängt auf eine Klimaschutz-Investtionsoffensive, um Arbeitsplätze zu schaffen.

In Parmelins Wirtschaftsdepartement tritt man angesichts solch weitgehender Forderungen auf die Bremse. Die bisher ergriffenen Massnahmen hätten sich als wirksam und zielführend erwiesen, man prüfe aber laufend allfälligen Handlungsbedarf, heisst es aus dem Departement.

Parmelin hat noch Pfeile im Köcher

Für den Notfall hat Parmelin aber noch ein paar Pfeile im Köcher. Schon im Frühling liess der SVP-Magistrat nämlich «neue, wirksame Massnahmen prüfen, um die Konjunktur in der erwarteten schweren Rezession zu stabilisieren». So steht es in Dokumenten der wirtschaftlichen Corona-Taskforce im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), welche BLICK gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz erhalten hat.

Ihr Credo: Die drei T – «targeted, timly and temporary». Konjunkturpolitische Massnahmen sollten zielgerichtet, zeitgerecht und zeitlich befristet sein.

Die Arbeitsgruppe Konjunktur und Konjunkturpolitik stellte im Mai in einer als «vertraulich» deklarierten Notiz unter dem Titel «Covid-19: Grundlagen weitergehender Stabilisierungsmassnahmen» auch unkonventionelle Ideen zur Debatte. Diese sollten als «wirtschaftspolitische Optionen nach dem Lockdown diskutiert werden».

Zum Beispiel:

  • Helikoptergeld: Die Seco-Experten prüften den Einsatz von sogenanntem Helikoptergeld, also einen finanziellen Pro-Kopf-Zustupf für jeden Bürger. Sie verwarfen die Idee aber rasch wieder. «Hoher Finanzbedarf wegen Giesskannenprinzip. Inflation als mögliche Nebenwirkung», so ihr Urteil. Eventuell entscheidet aber das Stimmvolk über diese Frage, wurde doch jüngst eine entsprechende Volksinitiative lanciert.
  • Konsum-Gutscheine: Konsum-Gutscheine könnten gezielt auf besonders betroffene Branchen eingeschränkt und befristet werden. Das Instrument sei so durchaus «wirksam». Diskutiert wurde etwa der Einsatz von Reka-Gutscheinen. In dieselbe Richtung zielte übrigens ein Vorstoss von SP-Nationalrätin Sandra Locher Benguerel (45, GR), der einen 200-Franken-Feriengutschein für alle forderte.
  • Steuersenkungen: Eine Steuersenkung wird gleich mehrfach aufs Tapet gebracht. Bei der Einkommensteuer oder der Mehrwertsteuer, um die Kaufkraft der Konsumenten zu stärken. Aber auch bei der Unternehmensgewinnsteuer, um Geld für Investitionen freizumachen. Ausser bei der Mehrwertsteuer würden diese Effekte aber nur verzögert sichtbar. Allenfalls seien eher Steuerrabatte eine Option.
  • A-fonds-perdu-Beiträge: Die Seco-Experten dachten dabei vor allem an Krediterlasse bei besonders betroffenen Branchen. Der Nachteil: Das Risiko von Wettbewerbsverzerrung, Strukturerhaltung, hohe Fehlanreize. Die Experten befürchteten gar, dass damit überschuldete, eigentlich nicht mehr überlebensfähige «Zombiefirmen» unterstützt würden. Mittlerweile sind in einer neuen Härtefallregelung des Bundes A-fonds-perdu-Beiträge für Unternehmen auf den Weg gebracht.
  • Infrastrukturprojekte: Grossen Investitionsprogrammen in Infrastruktur und Bauprojekte stehen die Experte ablehnend gegenüber. Diese seien weder zielgerichtet noch rechtzeitig realisierbar. «Risiko von Industriepolitik» so das Urteil. Sinn mache aber der Vorzug bereits entschiedener Vorgaben, die sich schnell realisieren liessen.

Je nach wirtschaftlicher Entwicklung in der zweiten Welle, könnte Parmelin also aus diesem Ideenfundus schöpfen, um Nachfrage- und Konjunkturimpulse zu setzen. Gemäss den Seco-Experten könnte der Bundesrat «wenn nötig innert Wochen weitere Massnahmen beschliessen».

Konjunkturmassnahmen derzeit «kontraproduktiv»

Wird das Wirtschaftsdepartement nun also aktiv? Die jüngsten Corona-Schutzmassnahmen «werden den Konjunkturgang in den kommenden Wochen spürbar bremsen», erklärt das Seco gegenüber BLICK. Denn auch die Exportentwicklung dürfte aufgrund stark steigender Covid-Fallzahlen beziehungsweise wegen der Gegenmassnahmen im Ausland leiden.

Trotzdem ortet Parmelins Seco derzeit keinen zusätzlichen Handlungsbedarf. «In der aktuellen Situation mit verstärkten gesundheitspolitischen Massnahmen und entsprechenden Einschränkungen für die wirtschaftliche Tätigkeit stehen wirtschaftliche Abfederungsmassnahmen und nicht Konjunkturmassnahmen zur Nachfragestimulierung im Fokus», erklärt eine Sprecherin. «Entsprechende Massnahmen wären derzeit aus wirtschaftspolitischer Sicht kontraproduktiv.»

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