«Das Boot ist voll? Da machen wir nicht mit»
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SP kontert SVP bei Status S:«Das Boot ist voll? Da machen wir nicht mit»

Nur noch Ostukrainer sollen Status S erhalten
SVP läuft mit Radikalvorschlag auf

Mit Schützenhilfe eines FDPlers lanciert die SVP den Vorschlag, die Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge strenger zu gestalten. Doch der Rest der Bürgerlichen kann mit dem Vorschlag nichts anfangen.
Publiziert: 15.05.2022 um 13:59 Uhr
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Aktualisiert: 16.05.2022 um 15:02 Uhr
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51'000 Menschen aus der Ukraine haben Schutz in der Schweiz gefunden.
Foto: Keystone

Ist es das schon gewesen mit der Solidarität gegenüber den Ukrainerinnen und Ukrainern, die vor dem Krieg flüchten und in der Schweiz Schutz suchen? Zumindest bei einigen bürgerlichen Politikern ist das der Fall.

SVP-Nationalrätin Martina Bircher (38) findet, die Schweiz könne «nicht ewig weitermachen wie bisher». In einem Vorstoss fordert sie vom Bundesrat eine härtere Gangart. So schlägt sie vor, «den Status S regional zu beschränken und diesen nur noch Leuten aus der Ostukraine zu gewähren», wie die «SonntagsZeitung» berichtet. Denn das Kriegsgeschehen konzentriere sich auf diesen Teil des Landes.

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«Überprüfen, wer Anspruch hat»

Schützenhilfe erhält die SVP von FDP-Ständerat Andrea Caroni (42). «Der Schutzstatus S sollte dynamisch ausgestaltet werden», sagt er gegenüber der «SonntagsZeitung». «Es muss periodisch überprüft werden, welche Personengruppen aus der Ukraine Anspruch haben.»

Was ist der Schutzstatus S?

Es ist das erste Mal, dass der Bundesrat den Schutzstatus S aktiviert. Für die ukrainischen Flüchtlinge bedeutet dies, dass sie kein individuelles Asylgesuch stellen müssen, um länger als drei Monate in der Schweiz zu bleiben. Der Status ist auf ein Jahr befristet, kann aber verlängert werden. Sollten die Flüchtlinge in fünf Jahren noch immer in der Schweiz sein, bekämen sie eine Aufenthaltsbewilligung B.

Der Bundesrat hat zudem beschlossen, dass die ukrainischen Flüchtlinge ohne Wartefrist in der Schweiz arbeiten dürfen, für Reisen ins Ausland benötigen sie keine Bewilligung. Mit dem S-Status haben sie Anrecht auf medizinische Versorgung und bei Bedarf auf Sozialhilfe. Der Bund zahlt den Kantonen dafür pro Flüchtling 18'000 Franken Entschädigung pro Jahr.

Es ist das erste Mal, dass der Bundesrat den Schutzstatus S aktiviert. Für die ukrainischen Flüchtlinge bedeutet dies, dass sie kein individuelles Asylgesuch stellen müssen, um länger als drei Monate in der Schweiz zu bleiben. Der Status ist auf ein Jahr befristet, kann aber verlängert werden. Sollten die Flüchtlinge in fünf Jahren noch immer in der Schweiz sein, bekämen sie eine Aufenthaltsbewilligung B.

Der Bundesrat hat zudem beschlossen, dass die ukrainischen Flüchtlinge ohne Wartefrist in der Schweiz arbeiten dürfen, für Reisen ins Ausland benötigen sie keine Bewilligung. Mit dem S-Status haben sie Anrecht auf medizinische Versorgung und bei Bedarf auf Sozialhilfe. Der Bund zahlt den Kantonen dafür pro Flüchtling 18'000 Franken Entschädigung pro Jahr.

Und auch er findet, dass eine Beschränkung auf Menschen aus der Ostukraine Sinn machen würde: «Sollte sich zum Beispiel erhärten, dass die Westukraine dauerhaft nicht mehr von Kriegshandlungen betroffen ist, könnte der Schutzstatus auf Personen aus dem Osten beschränkt werden.» Allerdings will Caroni noch etwas abwarten und eine allfällige Anpassung auf europäischer Ebene koordinieren.

Vom Parteipräsidenten zerrupft

Beim Parteipräsidenten der FDP kommt dieser Vorschlag allerdings gar nicht gut an. Freisinnigen-Boss Thierry Burkart (46) seinen Vizepräsidenten am Sonntag in der Blick-TV-Elefantenrunde in den Senkel.

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«Wir müssen solidarisch bleiben» fand er. «Ich bezweifle, dass die Idee von Herrn Caroni umsetzbar ist.» Denn dank ihres Passes können Ukrainerinnen und Ukrainer ohne Visum in die Schweiz einreisen.

Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister (59) hält gar nichts von den Forderungen von SVP und FDP-Ständerat Caroni. «Das ist politisch völlig verfehlt», sagte er. Die Unterscheidung in ost- und westukrainische Flüchtlinge spiele den Russen in die Hände. «Damit bestätigt man eines der möglichen Kriegsziele von Russland: Nämlich die Ukraine zu teilen.» Das sieht auch SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (34) so.

Zusatzkosten von einer Milliarde Franken

Wegen des Ukraine-Kriegs hat die Schweiz hat in sehr kurzer Zeit so viele Kriegsflüchtlinge aufgenommen wie schon Jahrzehnte nicht mehr. Seit Anfang März kamen etwa 51'000 Ukrainerinnen und Ukrainer ins Land. Und der Bund rechnet damit, dass es bis in den Herbst 120'000 sein werden.

Und das kostet Geld. Die 51'000, die bisher in die Schweiz geflohen sind, dürften allein den Bund im Jahr eine Milliarde Franken kosten, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet.

Auch Nicht-Ukrainer bekommen Schutz

Die SVP stört sich aber auch daran, dass hierzulande nicht nur Ukrainerinnen und Ukrainern Schutz gewährt wird – sondern auch Menschen aus anderen Ländern, die in der Ukraine gelebt haben. Gemäss Staatssekretariat für Migration (SEM) haben bisher 1000 Personen den Schutzstatus Status S erhalten, obwohl sie nicht Ukrainer sind. Russinnen und Russen stellen mit 238 Personen die grösste Gruppe. Auf der Liste findet man aber auch 76 Personen aus Afghanistan, 23 aus dem Irak, 22 aus Nigeria, 15 aus Algerien, 11 aus Syrien oder 10 Chinesinnen und Chinesen. Und es gibt vereinzelt auch Personen mit einem Pass eines europäischen Landes, die den Schutzstatus erhalten haben.

Der Bundesrat hatte im März entschieden, dass auch Nicht-Ukrainer den Status S erhalten können, wenn sie eine Aufenthaltsgenehmigung in der Ukraine haben und nicht sicher und dauerhaft in ihre Heimat zurückkehren können.

Und so hat das SEM gemäss «SonntagsZeitung» bisher 192 Gesuche nach dem S-Status im Zusammenhang mit Ukraine-Flüchtlingen abgelehnt. Darunter waren 20 Nigerianer, 14 Turkmenen, elf türkische und zehn vietnamesische Staatsangehörige. (sf)

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