Knatsch um Kurspflicht für Hobbygärtner
Ausgerechnet die Liberalen kämpfen für mehr Bürokratie

Die Bürgerlichen haben sich durchgesetzt: Wer seine Rosen im Garten spritzen will, soll künftig einen Pestizid-Kurs absolvieren müssen. Pikant: Ausgerechnet der Freisinn kämpfte geschlossen fürs Bürokratiemonster.
Publiziert: 15.09.2022 um 08:16 Uhr
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Wer in seinem Garten Pestizide einsetzen will, soll künftig einen Kurs machen müssen.
Foto: Keystone
Lea Hartmann

Liberale, die sich für mehr Bürokratie starkmachen – und Linke, die vergebens davor warnen: Am Mittwoch herrschte im Nationalrat verkehrte Welt. Die grosse Kammer hat beschlossen, dass Hobbygärtnerinnen und -gärtner Schneckenkörner, Anti-Blattläuse-Mittel und andere Pestizide künftig nur noch verwenden dürfen, wenn sie vorher eine Weiterbildung gemacht haben.

Der Entscheid ist ein Etappensieg für die Bürgerlichen, allen voran Bauernverbandspräsident Markus Ritter (55). Denn eigentlich wäre es im Vorstoss von Ständerätin Maya Graf (60), der zur Debatte stand, um etwas ganz anderes gegangen. Sie forderte ein Verbot der giftigsten Pestizide für den Heimgebrauch.

SVP redete Freisinn ins Gewissen

FDP, SVP und einer Mitte-Mehrheit geht das aber zu weit. In der Wirtschaftskommission modelten sie den Vorstoss komplett um. Die Linken werfen Ritter und seinem Lager vor, absichtlich ein Bürokratiemonster geschaffen zu haben, damit der Vorstoss am Ende scheitert. Und man gesichtswahrend eine weitere Pestizid-Regulierung verhindern kann.

Insbesondere dass die FDP bei diesem Spiel mitmacht, überrascht. Die Partei, die sich dem Kampf gegen die überbordende Bürokratie verschrieben hat, sprach sich geschlossen für die Kurspflicht für Heimgärtner aus. Selbst unter den Bürgerlichen sorgt das für Kopfschütteln. «Wenn jeder Privatanwender, der einmal im Jahr seine Rosen spritzt, in Zukunft einen Kurs machen muss, der tagelang geht, der einige Tausend Franken kostet, dann ist das unglaublich viel Bürokratie. Das hat nichts mit einer liberalen Lösung zu tun», redete SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (43) seinen freisinnigen Kollegen ins Gewissen. Er gehört zum Lager jener, die gar keine Änderung des Status quo wollen.

Für einmal war der SVPler damit gleicher Meinung wie SP-Bundesrat Alain Berset (50), der die Kurspflicht ebenfalls unverhältnismässig findet. Man habe, um es vorsichtig zu formulieren, einige Zweifel bezüglich der Umsetzbarkeit, sagte der Innenminister. Die Kantone, die für die Umsetzung zuständig wären, seien jetzt schon am Anschlag mit ihren Ressourcen.

Pistole Ja, Blattlaus-Stop Nein

FDP-Nationalrat Olivier Feller (48) hingegen, der die Änderung in der Kommission eingebracht hatte, hält das Kurs-Obligatorium für umsetzbar. Dafür verglich er Rosenzüchter mit Waffenbesitzern. Wer eine Waffe benutzen wolle, müsse unter Umständen heute auch bestimmte Kurse besuchen, argumentierte er. Tatsächlich muss nur eine Prüfung ablegen, wer eine Waffe an öffentlich zugänglichen Orten tragen will – zum Beispiel Sicherheitspersonal. Eine Pistole kann man sich auch ohne Waffenkurs kaufen. Eine Flasche Blattlaus-Stop künftig nicht mehr, geht es nach dem Nationalrat.

Die Hoffnung der Linken ruht nun auf dem Ständerat. Er kann die Kurspflicht noch verhindern. Ansonsten muss bald in eine Weiterbildung, wer seine Rosen oder Hortensien künftig noch mit Chemie behandeln will.

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