Da bekam der Bundesrat etwas Ungewöhnliches aufgetischt. Babybrei. Nicht zum Essen – hoffentlich – sondern als Politikum. Auf das Wesentliche reduziert, hat es die Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt (56) in einen Vorstoss gepackt. Pflichtbewusst nahm ihn der Bundesrat zur Kenntnis. Nun gibt er seinen Senf dazu.
Aber von vorne. Eigentlich wäre Muttermilch am gesündesten für Säuglinge. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, Babys während den ersten vier bis sechs Monaten ausschliesslich zu stillen. Doch das geschieht laut WHO in weniger als der Hälfte aller Fälle.
Damit mehr Mütter zur Brust statt zu Babynahrung im Laden greifen, gelten in der Schweiz Werbeeinschränkungen. Diese betreffen die sogenannte Säuglingsanfangsnahrung. Gemeint sind industriell gefertigte Lebensmittel, die Babys bis zum sechsten Lebensmonat einnehmen können.
So tricksen die Firmen
Hersteller solcher Babynahrung dürfen keine Werbung verbreiten, die unmittelbar zu einem Kauf anregt. Es gibt allerdings Firmen, die tricksen. Denn ein Babyprodukt ist frei vom Werbeverbot: Folgenahrung. Eltern können sie ihrem Säugling ab dem sechsten Lebensmonat verabreichen.
Die Firmen machen daher Folgendes: Sie verpacken ihre Folgenahrung nahezu gleich wie Säuglingsanfangsnahrung. Und durch die sich ähnelnden Farben, Bilder und Texte entsteht ein Werbeeffekt für ein Produkt, das einem Werbeverbot unterliegt.
Der Bund ist sich dieser Praxis bewusst. So hat er angeordnet, dass sich die Verpackungen deutlich voneinander unterscheiden müssen. Doch die Hersteller halten sich unzureichend daran – und da kommt nun Nationalrätin Weichelt ins Spiel. Sie ist auch Präsidentin der Allianz Ernährung und Gesundheit.
In einer Motion verlangt die grüne Politikerin von der Landesregierung, die Werbeeinschränkungen auf Folgenahrung auszudehnen. «Der Zuckergehalt in dieser Nahrung schadet den Kindern», sagt sie. Bereits jedes sechste Kind sei übergewichtig und der zugesetzte Zucker sei mitverantwortlich für ein höheres Risiko an Herz-Kreislauf- und Stoffwechselstörungen.
Noch eine Runde Babybrei?
Der Bundesrat anerkennt in seiner Stellungnahme zu Weichelts Vorstoss das Problem. Es würden nach wie vor unterschiedliche Auffassungen zwischen Bund, Industrie und Handel bei den verlangten Unterscheidungskriterien geben. Die Landesregierung meint sogar, dass sich die Abgrenzungsfragen mit einem Werbeverbot für Folgenahrung lösen lassen. Und dennoch lehnt der Bundesrat die Motion ab.
Für die Begründung verweist er auf die EU. Dort gilt kein solches Verbot und weil die Schweiz einen Grossteil der Folgenahrung importiert, käme es zu Komplikationen. Als Folge würden die Preise der Produkte in der Schweiz steigen. Um das zu verhindern, will die Regierung bis Mitte 2024 konkrete Vorgaben erarbeiten. Sie sollen darlegen, ab wann ein Hersteller gegen das Gesetz verstösst. Sollten diese Richtlinien nicht wirken, seien «weitergehende Massnahmen» zu prüfen.
Die Ablehnung des Vorstosses ist für Weichelt ein widersprüchlicher Entscheid. Doch sie kündigt an, die Ergebnisse Mitte 2024 abzuwarten. Scheitern die Massnahmen, will sie dieselbe Motion erneut einreichen, falls das Parlament den Vorstoss noch nicht behandelt hat. Dem Bundesrat sei eine zweite Runde Babybrei gegönnt.