Kirchenstrafrecht stellt Pädophilie auf gleiche Stufe wie weibliche Priesterinnen
«Weltfremd und ein Skandal»

Im neuen Kirchenstrafrecht wird Pädophilie auf gleiche Stufe gestellt wie die Priesterweihe für Frauen. «Weltfremd!», regt sich Juso-Chefin Ronja Jansen auf. Sie fordert nun von der katholischen Kirche in der Schweiz, sich dagegen zu engagieren.
Publiziert: 14.07.2021 um 17:36 Uhr
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Aktualisiert: 16.07.2021 um 22:09 Uhr
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Wer sich etwas zuschulden kommen lässt, dem droht in der katholischen Kirche nicht nur Strafe vom weltlichen Gericht.
Foto: keystone-sda.ch

Wer sich etwas zuschulden kommen lässt, dem droht in der katholischen Kirche nicht nur Strafe vom weltlichen Gericht. Denn im Katholizismus gibt es ein eigenes Kirchenrecht, das Strafen wegen Verstössen gegen Glaubensvorschriften definiert – von Gehaltskürzungen bis hin zur Exkommunikation, also ein Ausschluss aus der Glaubensgemeinschaft. Nach jahrzehntelangen Verhandlungen ist dieses weltweit gültige Kirchenstrafrecht nun im Vatikan in Rom revidiert worden.

Künftig wird der Missbrauch von Kindern als besonders schwere Sünde definiert. Bis jetzt galt Pädophilie lediglich als Verstoss gegen das Zölibat. Ausserdem muss künftig jeder Kindesmissbrauchsfall eine interne Untersuchung zur Folge haben, und es muss Anzeige erstattet werden.

Damit wird Kindesmissbrauch auf die gleiche Ebene gehoben wie etwa Abtreibung, Vergewaltigung oder Mord. Neu steht zudem unter Strafe, einer Frau die Priesterweihe zu verleihen.

Kirche soll Stellung beziehen

«Das ist ein Skandal», findet Juso-Chefin Ronja Jansen (25). «Das neue Kirchenstrafrecht stellt die Priesterweihe für Frauen auf die gleiche Stufe wie sexuelle Handlungen mit Kindern.» Sie erwarte nun von der katholischen Kirche in der Schweiz, «dass sie ganz klar dagegen Stellung bezieht und sich international aktiv für Gleichstellung in der Kirche einsetzt».

International hat das neue Kirchenstrafrecht bereits zu reden gegeben. Für die katholische Frauengemeinschaft in Deutschland etwa ist die Revision ein «Schlag ins Gesicht». Denn das führe allen, die sich für den Zugang von Frauen zu allen Diensten und Ämtern einsetzen vor Augen, dass der Vatikan diese Tür unbedingt geschlossen halten wolle.

Laut Mike Bacher von der Theologischen Fakultät der Uni Luzern hat die neue Rechtsordnung im Grunde genommen keine direkte Auswirkung, wie er zum «St. Galler Tagblatt» sagte. «Hier wurde etwas in ein Gesetz aufgenommen, das bereits gegolten hat.» Denn die Priesterweihe ist Frauen ohnehin schon verweigert – neu steht sie nur zusätzlich auch noch unter Strafe. Damit verweigere die Kirche den Frauen die Würde nicht unbedingt für immer, so Bacher. «Ich sehe die Herausforderung nicht bei der Anpassung des Kirchenrechts. Dieses ist schnell geändert. Die Diskussion muss auf theologischer Ebene geführt werden.» Das brauche aber Zeit.

Keine Antwort der Bischofskonferenz

Frauen die Priesterweihe zu verweigern, sei ohnehin schon weltfremd, findet Ronja Jansen. «Aber jetzt macht die katholische Kirche einen gewaltigen Schritt rückwärts. Das ist absolut stossend.» Die Präsidentin der Juso zieht auch den Vergleich mit dem Islam. Muslime stünden in der Schweiz immer wieder unter Generalverdacht, sich nicht an Schweizer Recht zu halten. «Aber eine Institution wie die katholische Kirche kann das verfassungsmässige Recht auf Gleichstellung ignorieren, ohne dass das zum Thema wird. Das ist heuchlerisch.»

Keine Stellungnahme war von der Schweizer Bischofskonferenz zu erhalten. Diese liess Anfragen von Blick über mehrere Tage nicht unbeantwortet. (gbl)


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