Ob das ein Zeichen von oben ist? Genau in jenem Moment, als Jacqueline Straub (30) beim Treffen mit SonntagsBlick von Maria Magdalena spricht, beginnen die Glocken der katholischen Pfarrei St. Martin in Effretikon ZH zu läuten. Straub ist kein unbeschriebenes Blatt, im wahrsten Sinne des Wortes. Die aus der Bodensee-Region stammende Deutsche hat in Freiburg im Breisgau (D), Freiburg und Luzern Theologie studiert. Sie arbeitet als Autorin und Journalistin und hat Bücher mit Titeln wie «Kickt die Kirche aus dem Koma» oder «Jung, katholisch, weiblich» veröffentlicht. Seit Jahren kämpft sie für mehr Gleichberechtigung für Frauen und Männer in der Kirche. Die BBC wählte sie 2018 auf die Liste «BBC 100 Women» und zählte sie zu den 100 inspirierendsten und einflussreichsten Frauen der Welt.
Straubs grösstes Ziel ist bisher unerreicht – und wird es vermutlich auch noch länger bleiben. «Ich will die erste katholische Priesterin der Schweiz werden», sagt Straub.
«In meinem Herzen spüre ich eine Berufung, ein Brennen dafür, die ganz grosse Leidenschaft.» Dass es mit der Erfüllung dieses Wunsches schwierig werden könnte, ist ihr bewusst. «Doch die katholische Kirche ist meine religiöse Heimat. Und ich kann es nicht akzeptieren, dass diese Heimat Menschen diskriminiert. Darum bleibe ich in der Kirche, möchte dort aber etwas zum Guten verändern. Ich glaube, eine Kirche mit Priesterinnen wäre eine gerechtere Kirche und würde dem Sinn Jesu Christi mehr entsprechen.»
«Jesus wäre schockiert»
Dass Frauen bessere Priester wären, glaubt Straub nicht. «Frauen würden jedoch eine andere Perspektive einbringen. Wenn alle Menschen ihrer Berufung zum Priester folgen könnten, gäbe es mehr Diversität. Ich glaube, das bräuchten wir dringend.» Jesus Christus sei auch in dieser Hinsicht ein Vorreiter gewesen. «Er hat versucht, möglichst alle Menschen in seine Nachfolge zu integrieren. So hat er Maria Magdalena beauftragt, am Ostersonntag die frohe Botschaft, das Evangelium, zu verkünden.»
Straub sagt: «Jesus war für Gleichberechtigung. Wenn er heute da wäre, wäre er schockiert zu sehen, dass es nur männliche Priester gibt.» Und sie betont: «In der Bibel gibt es keinen Hinweis darauf, dass Frauen nicht auch Priester werden könnten.» Sie hat bereits mehrere Briefe an den Vatikan und auch an Papst Franziskus (84) persönlich geschickt. Zurück kamen diplomatisch-freundliche Antworten, nicht von ihm direkt, sondern von verschiedenen Dienststellen, stets mit dem Verweis auf das Geschlecht der zwölf Apostel.
Manche wünschen sie in die Hölle
Sehr aktiv ist Straub auch auf den Social-Media-Kanälen. Dort fallen die Antworten zum Teil weniger höflich aus. Manche Gläubige werfen ihr vor, die katholische Kirche zerstören zu wollen, andere wünschen sie sogar in die Hölle.
Trotz dieses Gegenwindes will Straub ihren Kampf nicht aufgeben – auch wenn sie es nie schaffen sollte. «Dann weiss ich wenigstens, dass ich einige Kieselsteine auf den langen Weg der Gleichberechtigung gelegt habe. Und die Frauen und Männer, die nach mir gehen, sammeln sie hoffentlich alle ein.»