Diese Szene brannte sich ein: Im März 2020 betete Papst Franziskus (84) auf dem verregneten Petersplatz allein. Rom war zu diesem Zeitpunkt eine Geisterstadt. Im Hintergrund heulten die Sirenen.
Ein Jahr nach dem berühmten Sturmgebet muss der Papst schon das zweite Osterfest ohne Besucher feiern. «Es ist trotzdem besser als im letzten Jahr», sagt Mario Galgano (41), Redaktor und Nachrichtensprecher bei Radio Vatikan. «Rom ist zwar eine rote Zone, aber es gibt keinen totalen Lockdown wie damals.» Nur die Touristen würden fehlen, sagt der gebürtige Schweizer am Telefon zu BLICK.
Trotz dritter Welle feierte der Papst zum Auftakt der Karwoche eine Messe mit 150 Personen. Warum machte er das?
Mario Galgano: Weil wir Vatikanesen alle schon geimpft sind! Wir sind quasi das erste coronafreie Land, deswegen ist bei uns schon mehr Normalität möglich.
Wie kann das sein?
Wir sind mit etwa 4000 Vatikanesen ja praktisch ein Dorf, und der Vatikan hat bei Pfizer/Biontech 10’000 Impfdosen bestellt. Das hat von den Schweizer Gardisten bis zu den Kardinälen gereicht. Sogar die Obdachlosen rund um den Vatikan und ein paar Diplomaten wurden geimpft.
Der Papst wurde häufig ohne Maske gesehen, gleichzeitig wütete er in einem Buch gegen Maskengegner. Wie passt das?
Bei Gottesdiensten und Audienzen wollte er sich nicht mit Maske zeigen. In privaten Momenten war er ein stinknormaler Mensch, der Maske trägt, sich die Hände wäscht und Desinfektionsmittel nutzt.
In der ersten Welle mussten Menschen alleine sterben, Beerdigungen waren stark eingeschränkt. Wo war da die Kirche?
Es gab zahlreiche Priester, Missionare, Ordensleute, Nonnen und Mönche, die trotzdem in den Spitälern gearbeitet und Sterbende besucht haben. Viele haben sich dabei angesteckt oder sind gar gestorben. Ich bin sicher: Wäre etwa ein Kardinal im Sterben gelegen, wäre Franziskus persönlich ans Krankenbett geeilt.
Schweizer Bistümer wie St. Gallen und Basel und Kirchenvertreter weltweit rebellieren gerade gegen ein Schreiben, das die Segnung von homosexuellen Paaren verbietet. Hängt der Segen zwischen Vatikan und Basis schief?
Ich glaube, das ist eher ein Kommunikationsproblem. Das Schreiben kann man auf verschiedene Arten interpretieren. Der Papst ist ja eigentlich sehr differenziert, was Homosexuelle angeht.
Ein anderer Konfliktherd ist das Bistum Chur. Nach zwei Jahren hat der Papst trotz Widerstand der Konservativen Joseph Bonnemain zum Huonder-Nachfolger ernannt.
Ja, da hat Franziskus Nägel mit Köpfen gemacht. Es kann ja auch nicht sein, dass der Bischofssitz ewig unbesetzt ist, nur weil gewisse Herren im Bistum auf stur schalten.
Zeigt die Personalie, dass Franziskus vor den Kirchenvertretern nicht kuscht?
Das war typisch jesuitisch! Jesuiten wie Franziskus studieren sehr lange und treffen dann eine Entscheidung. Wenn er sagt, er brauche ein bisschen Zeit, um zu überlegen – dann liest er wirklich alles und zieht danach Konsequenzen.
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Was war seine grösste Leistung in seiner bisher achtjährigen Amtszeit?
Die Art und Weise, wie er mit den Menschen umgeht. Das ist schon sehr anders als bei seinen Vorgängern. Bei persönlichen Treffen wirkt er eher wie ein Dorfpfarrer und nicht wie der Oberboss einer Institution mit 1,2 Milliarden Mitgliedern.
Was können wir von Franziskus noch erwarten?
Das kommt auf die Tagesaktualität an. Er hofft, dass er bald wieder mehr reisen kann.
Kommt er dann auch wieder in die Schweiz?
Ausser einem Besuch in Budapest im Herbst steht Europa nicht auf seiner Liste. Er will eher nach Afrika, Asien und Lateinamerika.
Packt er das Thema Priesterinnen noch an?
Das glaube ich nicht. Aber die Zahl der Frauen im Vatikan steigt beständig, und er hat einige Untersekretärinnen ernannt. Sie sind so etwas wie die Nummer zwei in einem der «Ministerien» des Vatikans.
Franziskus ist jetzt 84. Wie lange wird er das Amt ausüben?
Persönlich schätze ich ihn gar nicht so ein, dass er wie Papst Benedikt zurücktreten will. Es wäre auch komisch, wenn es dann quasi drei Päpste gäbe. Zwei ausser Dienst und einer im Amt – das wäre ein bisschen viel.
Der im Kanton Schwyz geborene Mario Galgano (41) ist seit 2006 Redaktor und Nachrichtensprecher bei Radio Vatikan. Gemeinsam mit seiner Frau, der ukrainischen Theologin Nataliya Karfut, und den beiden Töchtern (11 und 6) lebt der promovierte Historiker in Rom. Zuvor war Galgano Pressesprecher bei der Schweizer Bischofskonferenz. Zu Papst Franziskus hat er einen besonderen Bezug: Der «Papst vom anderen Ende der Welt», über den er 2013 ein gleichnamiges Buch schrieb, taufte auch Galganos jüngste Tochter.
Der im Kanton Schwyz geborene Mario Galgano (41) ist seit 2006 Redaktor und Nachrichtensprecher bei Radio Vatikan. Gemeinsam mit seiner Frau, der ukrainischen Theologin Nataliya Karfut, und den beiden Töchtern (11 und 6) lebt der promovierte Historiker in Rom. Zuvor war Galgano Pressesprecher bei der Schweizer Bischofskonferenz. Zu Papst Franziskus hat er einen besonderen Bezug: Der «Papst vom anderen Ende der Welt», über den er 2013 ein gleichnamiges Buch schrieb, taufte auch Galganos jüngste Tochter.