Er ist ein Pfarrer, der wissen will, was die Leute bewegt. Andrea Marco Bianca (59) steht jeden morgen um 5 Uhr auf und liest sämtliche Zeitungen: «Das ist über Jahrzehnte zu einem Ritual geworden und fliesst dann in meine Predigt ein», so der reformierte Pfarrer aus Küsnacht ZH.
Mit der Corona-Krise wurden die verunsichernden Schlagzeilen auch für den Pfarrer zur Belastung: «Also habe ich angefangen, jeden Morgen eine Schlagzeile aus einer Schweizer Zeitung einem Satz aus der Bibel entgegenzusetzen.» Bei der Auswahl ging es ihm weniger um die Kirche, sondern um das 2000-Jahre-alte Kulturgut, dass in der aktuellen Krise Hoffnung machen kann. «Mir ist es ein Anliegen, dass die Worte aus der Bibel auch krichenfernen Menschen zugänglich sein soll», so Bianca, der auch regelmässig Gottesdienste auf Youtube hält. «Wie kann Leben auch unter schwierigen Umständen gelingen», ist seine Leitfrage.
Offene Ohren und suchende Herzen
Jetzt aus der Idee ein Buch entstanden: «Hoffnungszeichen zu Krisenzeiten»* kombiniert 50 Schlagzeilen zur Corona-Krise mit 50 passenden Bibelworten, versehen mit Kommentaren von 50 Persönlichkeiten aus Kultur und Wirtschaft. Unterstützt wurde Bianca dabei von seiner Partnerin und Pfarrerin Katharina Hoby.
Zusammen mit ihm hat sie die den Kontakt zu jenen Menschen aufgenommen hat, die auf die eine oder andere Weise von der Corona-Krise getroffen sind. «Ich stiess dabei auf offene Ohren und suchende Herzen.» Darunter sind prominente und gesellschaftlich engagierte Menschen, aber auch zwei von Corona geheilte Frauen. So ist eine einzigartige Sammlung aus fünfzig Corona-Learnings entstanden, ein paar Beispiele.
Sandra Studer (51), Sängerin: «In dieser neuen Wirklichkeit müssen wir uns umso mehr kreative Wege finden, um Liebe Nähe, Verständnis und Herzenswärme ihren Platz zu geben.»
Guido Fluri (54), Unternehmer: «Deshalb gilt es, unser Verständnis von ‹Hilfe› weiter zu fassen. Sei besteht nach meiner Auffassung nicht nur aus Erlösung. Ihre einfachste, aber so oft wirkungsvollste Form ist die des Beistands. Jemandem in einer schwierigen Situation zuhören, mit ihm fühlen, Verständnis aufbringen und die Augen auf eine Perspektive richten – das kann Welten bewegen.»
Christian Stucki (35), Schwingerkönig: «Ich wünsche mir, dass wir Menschen uns der Verletzlichkeit von Mutter Erde vermehrt bewusst werden und uns entsprechend mehr einschränken und unserer Natur Sorge tragen würden! Auch unsere Kinder sollen doch noch unbeschwert aufwachsen dürfen. Es liegt an uns!»
Jacqueline Straub (30), Autorin und kath. Theologin: «Eine Krise zeigt die Wunden der Gesellschaft noch deutlicher auf – und es liegt an uns, diese Wunden zu heilen. Ungleichheit zu überwinden, braucht einen langen Atem.»
Ancillo Canepa (67), FCZ-Präsident: «Um es gleich vorwegzunehmen: Ich fühle mich im engeren Sinn keiner Religion zugehörig. Aber der Bibelspruch spricht mich an, weil er die Menschen aufruft, eingeschlagene Weg rechtzeitig zu überprüfen und gegebenenfalls mutig die Richtung zu ändern.»
Evelyne Binsack (52), Bergführerin: «Im Moment fühle ich mich nicht imstande, Covid-19 irgendetwas Positives abzugewinnen, und ich würde heucheln, in meinem Zustand jetzt mit einem Bibelspruch den Menschen Mut zu machen. Im Moment bin ich selbst am anderen Ende und voll betroffen von den Massnahmen.»
* Andrea Marco Bianca, Katharina Hoby, «Hoffnung in Krisenzeiten», Reinhardt-Verlag