Wer in der Schweizer Mediendatenbank die Suchworte «Femizid» und «Schweiz» eingibt, landet für die letzten zwölf Monate gerade einmal 106 Treffer. Das Wort ist hierzulande kaum jemandem ein Begriff. Dabei bezeichnet es die Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind. Und die passieren häufig, wie die Kriminalstatistik zeigt. Jeden Monat werden allein im familiären Umfeld zwei Frauen getötet, jede Woche überlebt eine Frau einen Versuch, sie umzubringen.
Und doch ist die Rede kaum von Frauenmord. Sondern von «Beziehungsdrama» oder «Tat aus Leidenschaft». SP-Ständerätin Marina Carobbio (54) will das ändern. Und sie verlangt vom Bund zusätzliche Massnahmen, um Frauenmorde zu stoppen.
Das Problem beim Namen nennen
Das haben sich auch drei Frauen auf die Fahne geschrieben. Und sie fangen beim Namen an. Literaturwissenschaftlerin Nadia Brügger (29), Reporterin Sylke Gruhnwald (39) und Infografikerin Pauline Martinet (37) wollen den Begriff «Femizid» in der Öffentlichkeit etablieren. «Solange das Problem gesamtgesellschaftlich keinen Namen trägt, wird es nicht angegangen», sagt Brügger.
Darum hat sie sich mit Gruhnwald und Martinet zusammengetan. In regelmässigen Abständen wollen sie Frauen zählen, die in der Schweiz getötet werden, weil sie Frauen sind. «Wir zählen, weil das Schweigen über Gewalt an Frauen tödlich ist», schreiben sie auf Twitter.
Denn heute fehlen diese Daten. «Bisher werden Daten zu Femiziden nur im Rahmen von häuslicher Gewalt erhoben. Das deckt jedoch nicht sämtliche Femizide ab», so Brügger. Denn Frauen würden eben nicht nur von ihren Männern oder Ex-Partnern getötet. Sondern auch auf der Strasse angegriffen, im Ausgang. Oder als Sexarbeiterin.
Während in spanischsprachigen Ländern, insbesondere in Südamerika, der Kampf gegen Frauenmorde sehr präsent sei, hinke die Schweiz hier hinterher, klagt Brügger. Diese Tötungen wollen die Frauen nun systematisch sammeln und veröffentlichen – auf den sozialen Medien und einer eigenen Website.
Wann ist ein Frauenmord ein Femizid?
Dass die Angelegenheit komplex ist, weiss auch Brügger. Denn wann ist die Tötung einer Frau ein Femizid? Und nicht ein Mord aus Habgier oder aus rassistischen Motiven? Wissenschaft und feministische Bewegung sind sich da nicht immer einig.
Für Simone Eggler, Expertin bei Terre des Femmes, ist das Risiko aber gross: «Daher braucht es unbedingt eine fallbezogene Ursachenforschung zu Motiven und Hintergründen der Tat.»
Das Datenprojekt von Brügger, Gruhnwald und Martinet findet sie «enorm wichtig». Denn es brauche den Druck der Zivilgesellschaft, damit der Staat endlich tätig wird. «Angefangen dabei, dass auch die Polizei nicht mehr von ‹Familientragödie› spricht bis hin zu Prävention durch Bildung schon in der Schule. Denn die Einstellung, dass Frauenleben weniger wert sind, muss man früh bekämpfen.»