Nach Bluttat von Dietikon ZH fordern Politikerinnen GPS-Überwachung
«Wir hätten diesen Mord verhindern müssen!»

Bundesrätin Simonetta Sommaruga wollte Opfer häuslicher Gewalt besser schützen – mit Echtzeit-Überwachung per GPS. Doch sie scheiterte an den Kantonen, denen das zu teuer ist. Nun nehmen Frauen von links bis rechts einen neuen Anlauf.
Publiziert: 01.09.2019 um 23:02 Uhr
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Aktualisiert: 19.09.2020 um 10:17 Uhr
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Luiza B (†34) wurde von ihrem Mann getötet – weil sie ihn verlassen hatte.
Foto: BRK News
Sermîn Faki

Könnte Luiza B. (†34) noch leben? Diese Frage treibt Sibel Arslan (39) seit der grausamen Bluttat an der jungen Mutter um. Am letzten Montag hatte Ilir B. (37) seine Ehefrau Luiza in Dietikon ZH brutal getötet – weil sie sich von ihm getrennt hatte.

Das Schicksal von Luiza B. ist kein Einzelfall: Alle zwei Wochen stirbt in der Schweiz eine Frau durch die Hand eines Mannes. Arslan, die für die Basler Grünen im Nationalrat sitzt, fordert nun endlich Taten. Sie will, dass Personen, die wegen häuslicher Gewalt ein Rayon- oder Kontaktverbot haben, per GPS in Echtzeit überwacht werden.

Sommaruga lief 2015 auf

Sowohl der potenzielle Gewalttäter als auch sein Opfer würden GPS-Sender tragen, etwa als Fussfessel oder Armband. Käme der Mann der Frau zu nahe, würde ein Alarm ausgelöst und die Polizei alarmiert. In der Herbstsession wird Arslan einen entsprechenden Vorstoss einreichen, wie die «SonntagsZeitung» berichtete.

Pikant: Bundesrätin Simonetta Sommaruga (59), damals noch im Justizdepartement, schlug diese Echtzeit-Überwachung bereits 2015 vor. Sie sah viele Vorteile:

  • Bei einem Verstoss gegen das Kontaktverbot könnte sofort ein Polizeieinsatz ausgelöst werden.
  • Die gefährdete Person könnte zudem von der Überwachungszentrale per Telefon informiert werden, um sich in Sicherheit zu bringen.
  • Die gefährdete Person könnte aber auch selbst ein SOS-Signal senden.

Doch Sommaruga setzte sich nicht durch – weil die Kantone bremsten. Sie fürchteten vor allem, eine solch lückenlose Kontrolle würde exorbitante Kosten verursachen. Nun kommt eine abgespeckte Version. Ab 2022 soll die Fussfessel für Täter eingesetzt, die Daten aber nicht in Echtzeit erfasst werden. Das heisst: Die Bewegungen werden zwar aufgezeichnet, aber nicht sofort ausgewertet. Das potenzielle Opfer wird ebenfalls nicht über die gefährliche Nähe ihres Peinigers informiert.

«Wir hätten den Mord verhindern müssen»

Das sei nur ein winziger, aber keinesfalls ausreichender Schritt, sagt Arslan zu BLICK: «Warum es eine Echtzeitüberwachung braucht, zeigen Fälle wie der Tod von Luiza B. Alles, was wir jetzt tun können, ist den Täter zu bestrafen. Doch wir hätten den Mord verhindern müssen.»

Für das Kostenargument der Kantone hat sie erst recht kein Verständnis: «Komischerweise haben wir für alles mögliche Geld – nur nicht für den Schutz von Frauen», schimpft sie. «Ich akzeptiere nicht, wenn Menschenleben weniger zählen als Kosten.»

Fiala fordert bestmöglichen Schutz der Opfer

Unterstützung erhält Arslan von Frauen aus allen grossen Parteien. Dass mit den Finanzen argumentiert wird, löst etwa bei FDP-Frauen-Präsidentin Doris Fiala (62) «grösstes Unverständnis» aus. «Die Schweiz hat den Kampf gegen häusliche Gewalt jahrelang grosszügig unterstützt – im Europarat. Umso unverständlicher, dass im eigenen Land immer gemauert wird», sagt die Zürcher Nationalrätin, die sich seit Jahren dem Kampf gegen Stalking verschrieben hat. «Es ist klar: Zu 100 Prozent kann man solche tragischen Vorfälle nicht verhindern. Aber man muss doch rechtliche Grundlagen für den bestmöglichen Schutz schaffen!»

Auch CVP-Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger (55) sagt: «Es kann nicht sein, dass aus Kostengründen auf Massnahmen verzichtet wird, die Menschenleben retten können.»

Linker Support für Arslan kommt von SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen (40). Das neue Gesetz werde zwar einiges verbessern. «Aber für Fälle, in denen ein hohes Gewaltrisiko besteht, müssen wir die Echtzeitüberwachung unbedingt nochmals diskutieren. Denn so tragische Tötungen von Frauen kündigen sich in den meisten Fällen an.»

Mehr Prävention

Bereits in der «SonntagsZeitung» hatte SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler (43) den Einsatz von Fussfesseln in Risikofällen als sinnvoll bezeichnet. «Meist können wir erst einschreiten, wenn etwas passiert ist», so die Polizistin.

Die Frauen sind sich auch einig, dass es mit Überwachung allein nicht getan ist. «Wir müssen die Spirale der Gewalt früher durchbrechen», meint etwa Wasserfallen. Was es braucht, weiss Arslan: «Mehr Anlaufstellen, an die Frauen sich wenden können, mehr Gewaltprävention, mehr Mittel für die Polizei in diesem Bereich.»

Spanien konnte Tötungsrate um 9 Prozent senken

Andere Länder kennen die GPS-Echtzeitüberwachung, um Opfer häuslicher Gewalt vor weiteren Übergriffen zu schützen. In Spanien etwa werden seit Jahr 2006 elektronische Geräte zur Durchsetzung von Kontakt- und Rayonverboten eingesetzt. Mit grossem Erfolg: Gemäss Statistik ist die Zahl der Tötungen von Frauen durch Partner oder Ex-Partner um 8,7 Prozent gesunken.

Mit GPS überwacht wird auch in einigen deutschen Bundesländern. Allerdings geht es dort um entlassene und rückfallgefährdete Gewalt- und Sexualstraftäter (und Straftäterinnen). Auch in Fällen von häuslicher Gewalt. Die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder wertet die Daten rund um die Uhr aus.

Nähert sich die überwachte Person entgegen richterlicher Weisung seinem Opfer, wird sie zunächst durch einen Vibrationsalarm gewarnt. Ignoriert sie den Alarm, informieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Überwachungsstelle umgehend die Polizei vor Ort. In der Regel wird die Fussfessel vom Gericht für fünf Jahre angeordnet. Die Kosten allein für die Überwachungsstelle beliefen sich in den Jahren 2011 und 2012 auf knapp über 2,5 Millionen Euro.

Auch die französische Strafprozessordnung sieht eine GPS-Überwachung vor – allerdings für das potenzielle Opfer. Dieses trägt ein elektronisches Armband, über das es mit einem Knopf in einer Gefahrensituation Hilfe anfordern kann.

Andere Länder kennen die GPS-Echtzeitüberwachung, um Opfer häuslicher Gewalt vor weiteren Übergriffen zu schützen. In Spanien etwa werden seit Jahr 2006 elektronische Geräte zur Durchsetzung von Kontakt- und Rayonverboten eingesetzt. Mit grossem Erfolg: Gemäss Statistik ist die Zahl der Tötungen von Frauen durch Partner oder Ex-Partner um 8,7 Prozent gesunken.

Mit GPS überwacht wird auch in einigen deutschen Bundesländern. Allerdings geht es dort um entlassene und rückfallgefährdete Gewalt- und Sexualstraftäter (und Straftäterinnen). Auch in Fällen von häuslicher Gewalt. Die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder wertet die Daten rund um die Uhr aus.

Nähert sich die überwachte Person entgegen richterlicher Weisung seinem Opfer, wird sie zunächst durch einen Vibrationsalarm gewarnt. Ignoriert sie den Alarm, informieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Überwachungsstelle umgehend die Polizei vor Ort. In der Regel wird die Fussfessel vom Gericht für fünf Jahre angeordnet. Die Kosten allein für die Überwachungsstelle beliefen sich in den Jahren 2011 und 2012 auf knapp über 2,5 Millionen Euro.

Auch die französische Strafprozessordnung sieht eine GPS-Überwachung vor – allerdings für das potenzielle Opfer. Dieses trägt ein elektronisches Armband, über das es mit einem Knopf in einer Gefahrensituation Hilfe anfordern kann.

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