Wer UBS-Chef Sergio Ermotti in diesen Tagen die Laune vermiesen will, der muss nur zwei Worte sagen: «Höhere Eigenkapitalanforderung». So geschehen bei einer Konferenz der Nachrichtenagentur Reuters vergangene Woche, bei der Ermotti auftrat und nach den entsprechenden Plänen des Bundes gefragt wurde. «Was wir brauchen, ist, dass die Leute wirklich verstehen, was mit der CS geschehen ist, bevor sie Schlüsse ziehen», so Ermotti.
Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Bei einer Rede an der Uni Zürich legte er nach: «Um ehrlich zu sein, ist es ziemlich überraschend, wie schnell sich die Ansicht auf die UBS änderte, von einer Retterin hin zu einem potenziellen Problem für das Land.» Die UBS sei kein Risiko, sondern ein Segen für das Land: Auch ihr sei es zu verdanken, dass die Schweiz noch bei internationalen Gremien wie den G20 mit am Tisch sitze.
Es herrscht dicke Luft. Nachdem der Bund und die UBS die Krise gemeinsam gemeistert haben, gehen beide Parteien nun aufeinander los. Der Streit um Kapitalquoten ist dabei nur ein Anzeichen für die zunehmende Entfremdung zwischen der grössten Bank der Schweiz und der Landesregierung und ihren politischen Exponenten. Der Zwist geht tiefer. Dabei reden beide Seiten teilweise aneinander vorbei, wie Gespräche mit Insidern zeigen.
Die bestrafte Retterin
Bei der UBS sitzt der Frust tief. Immerhin hat die Grossbank die Credit Suisse gerettet und wurde dafür im Vorfeld des historischen Wochenendes vom 19. März 2023 vom Bund bekniet, während man bei der UBS zu Beginn alles andere als begeistert war, die Bank zu übernehmen. Denn die CS mit ihrem ruinierten Ruf, ihrem gescheiterten Geschäftsmodell, ihrer Kultur, einer potenziell toxischen Bilanz und den massiven Liquiditätsabflüssen galt als Grossrisiko.
Auch, dass der Kauf der Credit Suisse ein Schnäppchen gewesen sei, bestreitet man bei der UBS. Schliesslich kommen zum Kaufpreis von 3 Milliarden Franken ein Vielfaches an Kapitalanforderungen als Folge der Übernahme hinzu. Da sind die rund 9 Milliarden Franken, die die UBS für zusätzliches Eigenkapital aufwenden muss, um die der Credit Suisse von der Aufsicht gewährten Ausnahmen wettzumachen. Hinzu kommen weitere rund 10 Milliarden Kapitalbedarf, weil die UBS durch die Übernahme grösser geworden ist. Macht zusammen 19 Milliarden, wie Ermotti bei der Vorstellung der Quartalszahlen vorrechnete.
Diese Aufschläge sind eine Erklärung dafür, dass die UBS auf die Forderung nach noch höheren Eigenmittelanforderungen so empört reagiert. Die Regierung will, dass das Stammhaus der Grossbank, die UBS AG, künftig den Wert ihrer Töchter zu 100 Prozent – und nicht wie bisher zu 60 Prozent – mit Eigenmitteln abdeckt. Das dürfte die UBS nach aktuellen Schätzungen weitere 15 bis 25 Milliarden Franken kosten. Da Eigenkapital teurer ist als Fremdkapital, droht das die Kreditkosten für die Kunden zu verteuern, und das könnte die UBS im internationalen Wettbewerb benachteiligen. Zudem würden Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen erschwert. Mit rund 200 Milliarden habe die UBS heute bereits mehr als genug Eigenkapital.
Aus Sicht der UBS wollen die Behörden von eigenem Versagen ablenken
Aus Sicht der UBS verletzen die Behörden mit ihren Kapitalplänen Vereinbarungen, die am 19. März 2023 getroffen wurden, als die Übernahme der CS beschlossen wurde. Das deutete Ermotti bei der Analystenkonferenz zu den Quartalszahlen an. Gefragt, ob er im Zuge des CS-Deals keine Vereinbarung mit dem Bund getroffen habe, dass es keine Überregulierung gebe, sagte Ermotti: «Wir halten unsere Versprechen. Aber ich höre jetzt besser auf zu reden.»
Die Forderungen und Stellungnahmen von Bund, Finma und Nationalbank (SNB) sieht man bei der UBS als Ablenkungsmanöver vom eigenen Versagen bei der Credit Suisse. Die Behörden würden nun mit einem umso härteren Vorgehen gegen die UBS zu verbergen versuchen, dass sie den Kollaps der CS nicht haben verhindern können. In der UBS-Führung ist man davon überzeugt, dass das bestehende Too-big-to-fail-Instrumentarium ausreicht, dass es bei der Credit Suisse nicht ausgeschöpft wurde und dass die UBS mit diesem Instrumentarium keine implizite Staatsgarantie mehr hat.
Statt angemessen durchzugreifen, habe die Finma der Credit Suisse sogar noch Ausnahmen gewährt, wie jene bei der Kapitalausstattung, die nun die UBS im Nachgang zu erfüllen hat. Zu hören ist auch, hier hätte der Einfluss der Zürcher FDP eine Rolle gespielt; ihre Exponenten hätten, die mit ihr historisch verbundene Credit Suisse schützen wollen.
Ein finanzielles Armageddon verhindern
Ganz anders beurteilt man die Lage beim Bund und den Aufsichtsbehörden. Von irgendwelchen Vereinbarungen, im Nachgang der CS-Krise nicht die Regulierung zu verschärfen, sei nie die Rede gewesen, ist zu hören. In Bern sorgen sich die Verantwortlichen vor allem vor einer möglichen dritten Grossbankenkrise. Niemand hat Lust, noch einmal in eine Lage zu geraten wie im Fall der UBS im Jahr 2008 und bei der CS im vergangenen Jahr. Daher ist bei den Regierungsplänen zentral, dass die UBS weiteres Eigenkapital aufbauen soll. Auf diese Weise soll das Risiko für die Steuerzahler minimiert werden, in Zukunft wieder eine Bank retten zu müssen.
Trotz der Proteste der UBS hat Finanzministerin Karin Keller-Sutter daher ihre Kapitalpläne mehrmals bekräftigt. «Die UBS wird mehr Eigenkapital aufbauen müssen», sagte sie den CH-Media-Zeitungen.
Parlamentarier von links wie rechts stützen den Bundesrat in der Frage. «Ausser der UBS bestreitet niemand, dass die Grossbank über eine implizite Staatsgarantie verfügt», sagt zum Beispiel FDP-Präsident Thierry Burkart und ergänzt: «Die CS ist nicht an mangelndem Eigenkapital zugrunde gegangen, aber die Krise hat gezeigt, dass das Stammhaus unterkapitalisiert war. Hier muss nachgebessert werden.» Auch Grüne-Nationalrat und Bankenexperte Gerhard Andrey meint: «Ich bin für strengere Eigenmittelvorschriften, weil diese die UBS für die Schweizer Volkswirtschaft verträglicher machen.» Vehement für höhere Eigenmittel hat sich auch der neue Finma-Direktor Stefan Walter ausgesprochen.
Hoffen auf den PUK-Bericht
Das Klima zwischen Politik und der Grossbank verschlechtert hat aber nicht nur die Debatte um die Eigenkapitalanforderungen. Für Kopfschütteln sorgt in der Politik auch Ermottis Salär von 14 Millionen Franken für neun Monate Arbeit. Selbst Finanzministerin Karin Keller-Sutter kritisierte Ermottis Lohn gleich mehrfach. Nun fordert Finma-Chef Walter, dass die Aufsicht Boni begrenzen dürfe, wenn Stresstests Kapitalprobleme andeuten.
In den verhärteten Fronten gibt es nur einen Punkt, bei dem alle übereinstimmen: Sie erhoffen sich vom Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission mehr Klarheit dazu, was nun wirklich falsch lief und wer dafür die Verantwortung trägt. Allerdings geht jede Seite davon aus, dass der Bericht am Ende die eigene Sichtweise bestätigen wird. Das kann nicht aufgehen. Daher ist weiterer Zank programmiert.