Jan Kamarys (38) bietet den Corona-Test für schlappe 11 Franken an – das ist die schweizweit wohl billigste Art, ungeimpft an ein Covid-Zertifikat zu kommen. In Apotheken und Arztpraxen kostet der Test schnell 50 Franken. «In der Zeit, in der eine Apotheke einen Test macht, machen wir fünf», erklärte er seinen Tiefst-Preis gegenüber Blick.
Seit Wochen macht Kamarys' Medicare in Bern tausende Zertifkatstests pro Tag. Und es sollen noch mehr werden. Denn der Unternehmer will weitere Filialen eröffnen – in Basel, Zürich, Luzern, Solothurn und Zug beispielsweise.
Goldgräberstimmung führt zu Wildwuchs
Kamarys ist längst nicht mehr allein: Seit bekannt ist, dass die Tests kostenpflichtig werden, schiessen Pop-up-Zentren wie Pilze aus dem Boden. Die Testerei für das Zertifikat könnte zur Goldgrube werden.
Wenn die Kantone den findigen Unternehmern keinen Strich durch die Rechnung machen. Denn diese wollen jetzt dem «Wildwuchs», wie es etwa der Kanton Bern nennt, Einhalt gebieten.
Aus Sicht der Kantone laufen zwei Dinge falsch: Zum einen müssen die Zertifikats-Tests durch Fachpersonal durchgeführt werden. Das sei häufig nicht der Fall. «Der Begriff ‹Fachperson› wird von manchen Teststellen sehr grosszügig ausgelegt», sagt etwa Raphael Ben Nescher, Chef des bernischen Corona-Sonderstabs zu Blick. «Man stellt anscheinend einfach Personen hin, die nie auch nur die Packungsbeilage gelesen haben dürften.»
Pop-up-Zentren verwenden unzuverlässige Tests
Zum anderen sind fürs Zertifikat auch Nasal-Schnelltests zugelassen, die extrem unzuverlässig sein sollen. Während bei den Nasen-Rachen-Tests das Stäbchen durch die Nase bis an den Rachen geschoben wird (was für viele Leute sehr unangenehm ist), wird das Stäbchen beim nasalen Test nur zwei Zentimeter ins Nasenloch eingeführt.
Eine Studie des Berner Inselspitals kam zum Schluss, dass sogar die Nasen-Rachen-Schnelltests bei symptomlosen Personen nur etwa vier von zehn positiven Personen erkannt. «Da die Virenlast im vorderen Nasenbereich etwa 50 mal kleiner ist, dürfte die Zuverlässigkeit von Nasal-Tests bei symptomlosen Personen irgendwo bei 10 bis 20 Prozent liegen – dies bei korrekter Anwendung», so Ben Nescher. Heisst: Von zehn positiven Personen werden höchstens zwei erkannt. Das wiederum heisst: Acht könnten trotz gültigem Zertifikat positiv durch die Gegend laufen.
Bern führt Bewilligungspflicht ein
Der Bund will die Nasal-Schnelltests aber nicht verbieten – weil diese auch in der EU anerkannt sind und man Schweizer beim Zertifikat nicht benachteiligen will.
Der Kanton Bern allerdings zieht jetzt die Schraube an: Ab kommenden Montag brauchen alle Testzentren, die ausserhalb von Apotheken, Arztpraxen und Laboren operieren, eine Bewilligung. Zudem müsse während der Öffnungszeiten immer eine Ärztin oder ein Apotheker anwesend sein. In eine ähnliche Richtung geht der Kanton Zürich. Zudem empfiehlt Bern «dringend die Verwendung von Nasen-Rachen-Schnelltests und nicht Nasal-Schnelltests».
Gemäss Sonderstabschef Ben Nescher kommen diese unzuverlässigen Tests praktisch ausschliesslich in den Pop-up-Testzentren zum Einsatz: «In den Arztpraxen, Apotheken und Spitälern dürften diese Tests kaum verwendet werden, da man dort nicht aus rein wirtschaftlichen Gründen ein Produkt mit möglichst hohem Profit verkaufen möchte, unabhängig davon, ob es zuverlässig ist oder nicht.»
Kamarys wehrt sich gegen Vorwürfe
Auch Kamarys setzt auf Nasal-Tests. «Die Tests sind zugelassen, wir tun also nichts Illegales», sagt er zu Blick. Er erinnert daran, dass genau die Tests, die er verwendet, von den Apotheken als Selbsttests abgegeben worden waren. «Hat man auf Kosten der Steuerzahler monatelang schlechte Tests verteilt oder taugen die Tests doch etwas?», fragt er. Auf seine Preise hätte ein Wechsel keinen Einfluss, wie er sagt. Nasal-Abstriche und Nasen-Rachen-Tests seien im Einkauf etwa gleich teuer.
Gegen mehr Qualität hat er nichts einzuwenden: «Ich bin absolut dafür, dass die Standards erhöht werden. Es gibt immer mehr unseriöse Anbieter, die irgendwo in den Städten Zelte aufstellen. Ich finde es aber absolut daneben, wenn ich jetzt mit denen in einen Topf geworfen werde.»