Um ins Medienzentrum zu gelangen, mussten die SVP-Politiker ein Zertifikat vorweisen. Ausgerechnet jenes Dokument, das sie vehement bekämpfen und das bei der Abstimmung zum Covid-Gesetz im Fokus steht.
Mit dem Zertifikat spalte der Bundesrat die Gesellschaft in geimpfte «gute» und «ungeimpfte» schlechte Menschen, sagte Parteipräsident Marco Chiesa (47). Und forderte den Bundesrat dazu auf, die geltende Zertifikatspflicht in der Gastronomie, in der Kultur und im Freizeitbereich zurückzunehmen. Dass die SVP die Gesellschaft in ihrer jüngsten Kampagne in «gute» Landmenschen und «schlechte» Städter unterteilt, erwähnte er nicht.
Chiesa: «Ich bin geimpft»
Präsident Chiesa betonte vor den Medien, die SVP sei nicht gegen die Impfung: «Ich bin SVP-Präsident und ich bin geimpft.» Auch SVP-Nationalrätin Martina Bircher (37) sagte, sie sei geimpft und empfehle dies allen Risikopersonen. Allerdings solle es bei einer Empfehlung bleiben. «Mit dem Zertifikat zwingt der Bundesrat die eigene Bevölkerung faktisch zur Impfung.»
Bircher fürchtet, dass das Zertifikat ein Teil unseres Alltags bleiben könnte. So fragte sie: «Wer garantiert heute, dass bei einer schweren Grippewelle nicht wieder das Zertifikat zum Einsatz kommt?» Auch eine Ausweitung der Zertifikatspflicht auf Kinder hält sie für wahrscheinlich: «Sobald die Impfstoffe für Kinder ab fünf Jahren zugelassen sind, wäre es durchaus denkbar, dieses Zertifikat auch für noch jüngere Kinder einzuführen.» In Israel gelte die Pflicht etwa bereits für Kinder ab drei Jahren.
63 Prozent für Covid-Gesetz
Der Präsident der Jungen SVP, David Trachsel (26), verneinte, dass Schweizerinnen und Schweizer ohne Zertifikat nicht mehr ins Ausland reisen könnten. Die – von der SVP ansonsten ungeliebte – Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union garantiere schliesslich die Bewegungsfreiheit in Europa. «Die EU legt auch Wert darauf, dass die Personenfreizügigkeit nicht von einem Zertifikat abhängig gemacht wird.»
Die SVP ist die einzige grosse Partei, die gegen das Covid-Gesetz kämpft. Der Bundesrat und die übrigen Parteien sind für die Vorlage. Und laut der ersten Tamedia-Umfrage sagen derzeit 63 Prozent der Befragten Ja zum Covid-Gesetz. (til)