Die Frage war einfach. Mit der Antwort aber hat sich Matthias Aebischer (55) schwergetan. «Bist du Feminist?», wollte die TeleZüri-Moderatorin vergangene Woche vom SP-Nationalrat und Bundesratsanwärter wissen.
Mit dem Begriff könne er «nichts anfangen», sagte Aebischer. Er sei Hausmann, setze sich für Gleichberechtigung ein, doch ob Feminist oder nicht, da mache er sich keine Gedanken. Und er fragt zurück: «Was heisst Feminist, kannst du mir das mal erklären?»
Jositsch findet Bezeichnung «anmassend»
Die Aussagen des Berners sorgen innerhalb des linken Lagers, insbesondere unter Frauen und jüngeren SP-Mitgliedern, für Irritationen. Dass ein Vertreter jener Partei, die sich Feminismus gross auf die Fahnen geschrieben hat, ernsthaft eine solche Frage stellt, stösst auf Unverständnis. Schliesslich hat die SP schon vor sechs Jahren ein Manifest verabschiedet «für eine konsequent feministische Sozialdemokratie». Feminismus – darunter wird die Bewegung verstanden, die für Gleichstellung aller Geschlechter in allen Bereichen des Lebens kämpft. Ein Engagement, das freilich nicht nur Frauen vorbehalten ist.
Auch die beiden anderen SP-Männer, die bereits ins Bundesratsrennen gestiegen sind, wollen explizit keine Feministen sein. Der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch (58) sagte im August auf dieselbe Frage von TeleZüri: «Ich würde mich nicht als Feminist bezeichnen.» Er setze sich für Gleichstellung ein, betont er auf Blick-Nachfrage. Doch er finde es «anmassend», sich mit dieser Bezeichnung «zu schmücken», wenn er vergleiche, was andere für den Feminismus tun würden.
Und Mustafa Atici (53), SP-Nationalrat aus Basel, sagt auf Anfrage: «Auch ich bin kein Feminist, aber die Gleichstellung braucht auf allen Ebenen noch viel Kampf und Unterstützung.»
Juso-Siegrist: «Ich bin enttäuscht»
Was hält Tamara Funiciello (33), Co-Präsidentin der SP-Frauen, von diesen Aussagen? Die Nationalrätin will sich auf Blick-Anfrage nicht zum Thema äussern. Juso-Präsident Nicola Siegrist (26) hingegen nimmt kein Blatt vor den Mund. «Ich bin enttäuscht, dass die drei SP-Männer offensichtlich so Mühe mit dem Begriff Feminist haben.» Er selbst bezeichne sich selbstverständlich so. Auch SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (37) hat kein Problem damit, sich als Mann Feminist zu nennen.
Siegrist räumt ein, dass das noch vor einigen Jahrzehnten unvorstellbar gewesen sei. «Ich verstehe, dass es einen Generationenunterschied gibt.» Doch für ihn stehe fest: «Als linker Mann muss man im Jahr 2023 als Feminist handeln und sich auch so bezeichnen.» Er wirft den Kandidaten vor, aus Angst vor negativen Reaktionen der Bürgerlichen mutlos zu sein.
Bezeichnung sei kein Detail
Aebischer hingegen findet die Debatte müssig. «Ich bin Vater von vier Töchtern, leiste seit 25 Jahren meinen Teil der Erziehungs- und Hausarbeit, diskutiere mit ihnen täglich über Ungerechtigkeiten und kämpfe mit ihnen für die Gleichstellung auf allen Ebenen», sagt er. «Ob ich deshalb ein Feminist bin, diese Diskussion überlasse ich gerne anderen.»
Klar, wichtiger als die Bezeichnung sei das feministische Denken und Handeln, sagt auch Pascale Buser, Co-Präsidentin des Vereins Die Feministen. Die Organisation hat sich dem Ziel verschrieben, Männer für Gleichstellung zu sensibilisieren. «Gleichzeitig ist es von grosser Bedeutung, dass Männer, insbesondere diejenigen mit Einfluss und Sichtbarkeit, sich öffentlich als Feministen bekennen», findet sie aber. Dies könne Hemmschwellen abbauen und anderen Männern als Vorbild dienen.
Angesichts der Diskussion darf man gespannt sein, wie sich mögliche weitere Bundesratsanwärter der SP zum Thema positionieren werden. Sie können sich schon einmal eine Antwort zurechtlegen. Denn dass die Frage kommen wird, steht nun fest.