Juso-Chefin Tamara Funiciello zur AHV-Steuer-Vorlage
«Kleine Leute bezahlen mehr und bekommen weniger»

SP-Bundesrat Alain Berset will sich «mit viel Leidenschaft» für den AHV-Steuer-Deal engagieren. Doch von links kommt heftiger Widerstand. Dieser Deal sei nicht fair, sagt Juso-Chefin Tamara Funiciello im BLICK-Interview.
Publiziert: 19.02.2019 um 13:19 Uhr
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Aktualisiert: 02.04.2019 um 10:20 Uhr
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Juso-Chefin Tamara Funiciello bekämpft den AHV-Steuer-Deal und legt sich dabei auch mit SP-Bundesrat Alain Berset an.
Foto: Keystone
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Beim AHV-Steuer-Deal sind SP-Sozialminister Alain Berset (46) und SVP-Finanzminister Ueli Maurer (68) ein Herz und eine Seele. Beide müssen die Vorlage gegen starke Widerstände in ihren politischen Lagern verteidigen.

Berset bekommt dabei Schützenhilfe von einem linken Ja-Komitee um SP-Präsident Christian Levrat (48) und Ex-Gewerkschaftsboss Paul Rechsteiner (66), welches heute Nachmittag in Bern seine Argumente präsentiert.

Heftigen Gegenwind verspürt der SP-Bundesrat hingegen von den Juso. Diese haben das Referendum gegen den Kuhhandel tatkräftig unterstützt. Juso-Chefin Tamara Funiciello (28) sagt im BLICK-Interview, warum ihr der Deal nicht passt.

«Die AHV braucht mehr Einnahmen, diese Vorlage bringt sie»
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Rechsteiner zur Steuervorlage:«Die AHV braucht mehr Einnahmen, diese Vorlage bringt sie»

BLICK: Frau Funiciello, «Ihr» Bundesrat Alain Berset will «mit viel Leidenschaft» für den AHV-Steuer-Deal weibeln. Haben Sie gegenüber Ihrem Genossen keine Beisshemmung?
Tamara Funiciello: Nein, überhaupt nicht. Ich verstehe seine Sicht bezüglich AHV-Zusatzfinanzierung ja.

Berset setzt sich aber für die seiner Meinung nach «ausgewogene Reform» insgesamt ein. Die Linke konnte im Steuer-Teil doch einiges herausholen: Im Vergleich zur abgelehnten Unternehmenssteuerreform III werden die neuen Steuerprivilegien eingeschränkt oder auch die Dividendenbesteuerung wird erhöht.
Das reicht uns einfach nicht! Die Ablehnung der USR III war mega deftig. Und gerade erst hat der Kanton Bern eine Steuersenkungsvorlage abgelehnt. Für uns ist klar: Die Abschaffung der ungerechten Steuerkonstrukte kommt auf Druck der OECD sowieso – und zurecht. Nur so kann der internationale Steuerwettbewerb gestoppt werden. Die bisherigen Steuerprivilegien müssen wir nun aber nicht durch neue Steuerschlupflöcher ersetzen, die für noch grössere Ausfälle sorgen.

Was ist denn Ihre Alternative?
Die heutigen Steuerschlupflöcher müssen gestopft werden, ohne die Gewinnsteuern zu senken. Wir wollen ein Ende des Steuerwettbewerbs und eine höhere Dividendenbesteuerung. Unser Lohn wird zu 100 Prozent besteuert, der Bund will Dividenden aber nur zu 70 Prozent besteuern. Das ist doch unfair gegenüber den Lohnabhängigen.

Im Parlament haben Ihre Forderungen keine Chance.
Deshalb braucht es den Weg über Volksinitiativen. Mit unserer 99-Prozent-Initiative bieten wir eine Alternative.

Die SP will das eine tun, das andere aber nicht lassen: Mit einem Ja zur nationalen Vorlage die AHV-Zusatzfinanzierung sichern – und danach in den Kantonen Steuerdumping-Vorlagen bekämpfen. Ist das nicht die klügere Variante?
Für die SP mag diese Strategie stimmen, für uns nicht. Wir wollen eine grundsätzliche Änderung des Steuersystems. Eine faire Besteuerung auch im internationalen Kontext, die nicht wie heute auf Kosten von Entwicklungsländern geht.

Dafür setzen Sie die AHV-Zusatzfinanzierung aufs Spiel. Die werden Sie in dieser Form nicht mehr erhalten.
Die wollen wir auch nicht in dieser Form. Mit einer höheren Dividendenbesteuerung lassen sich die Löcher in der AHV stopfen. Die jetzige Vorlage bedeutet doch: Die kleinen Leute bezahlen mehr AHV-Beiträge und mehr Steuern und bekommen dafür weniger Leistung. Das ist nicht mein Deal!

Mit dem Deal würde aber auch Druck von einer Erhöhung des Frauenrentenalters genommen. Das muss Ihnen doch gefallen.
Das ist die falsche Logik. Das Rentenalter muss weder für die Frauen noch allgemein rauf. Alleine durch die Unternehmenssteuerreform II gehen der AHV Milliarden verloren, weil sich die Reichen mehr Dividenden statt Löhne auszahlen lassen. Auf Dividenden müssen sie nämlich keine Sozialabgaben bezahlen. Die Reichen werden damit immer reicher – und wir sollen länger bügeln? Das ist nicht fair. Dieses System müssen wir korrigieren.

Heute tritt das linke Ja-Komitee vor die Medien. Hat sich die SP mit dem AHV-Zustupf kaufen lassen?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Sie gewichtet den AHV-Teil einfach stärker, das respektiere ich. Aber uns reicht das nicht. Es hat genügend Geld in der Schweiz für einen guten Service Public und für die AHV – es ist ein politischer Entscheid, ob man das will oder nicht.

Eidgenössische Abstimmungen am 19. Mai 2019

Die Schweiz stimmt im Mai über zwei Vorlagen ab. BLICK erklärt, um was es genau geht.

  • Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung
    Die Grundlagen und kniffligsten Fragen verständlich erklärt
  • Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Richtlinie zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
    Das veränderte Waffenrecht in 12 Punkten erklärt.

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  • Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung
    Die Grundlagen und kniffligsten Fragen verständlich erklärt
  • Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Richtlinie zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
    Das veränderte Waffenrecht in 12 Punkten erklärt.
Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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