Nur sieben Bürger sind geblieben, ein paar Pensionäre und ein Ziegenbauer. Das beschauliche Dorf Monteviasco (I) am Südhang des Gradiccioli ist nur gerade zwei Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt. Und doch ist es eine beschwerliche Reise dorthin, seit die Seilbahn zum Weiler vor vier Jahren stillgelegt worden ist. Wer jetzt nach Monteviasco will, muss 1442 Stufen im steilen Hang erklimmen.
Die stillgelegte Seilbahn könnte für das kleine italienische Dorf das Todesurteil bedeuten. Um dieses abzuwenden, liessen die verbleibenden Bürger einen offenen Brief in der Lokalzeitung «La Prealpina» veröffentlichen. Sie forderte darin den Anschluss an die Schweiz und zeigten sich überzeugt, dass sie dann ihre Seilbahn längst wieder hätten.
Beide Staaten müssten zustimmen
Aber wäre ein solcher Anschluss an die Schweiz überhaupt möglich. Ja, das ist er! «Ein solcher Wechsel ist völkerrechtlich nicht ausgeschlossen», sagt Léa Zürcher vom Eidgenössischen Aussendepartement (EDA).
Die Hürden wären allerdings hoch. So müssten beide betroffenen Staaten mit einem Staatsvertrag zustimmen – und Italien dürfte daran wohl kaum ein Interesse haben. In der Praxis sei ein solcher Wechsel denn auch «in aller Regel wenig wahrscheinlich», stellt das EDA klar.
Immer wieder Beitrittswünsche
Wie unwahrscheinlich ein solcher Wechsel tatsächlich ist, hat sich in der Vergangenheit schon mehrfach gezeigt. Denn die Dorfbewohner von Monteviasco sind bei weitem nicht die Ersten, die mit einem Anschluss an die Schweiz liebäugeln.
Gerade aus der norditalienischen Lombardei werden immer wieder Forderungen laut. So wurde etwa 2017 über die Angliederung einzelner Regionen diskutiert. Schon 2008 äusserte auch das Bergdorf Premana den Wunsch, zur Schweiz wechseln zu dürfen. Der Vorwurf lautete damals gleich wie jener von Monteviasco: Der italienische Staat kümmere sich zu wenig um das Dorf.
Sogar Sardinien wollte wechseln
Und die Schweiz könnte heute gar Anschluss ans Mittelmeer haben: 2014 entstand auf Sardinien der Traum, Teil der Eidgenossenschaft zu werden. Als die Zahl einer Facebook-Gruppe, die für den «Canton marittimo» (Meereskanton) von 1300 auf 7600 hochschnellte, sorgten die Mittelmeerbewohner weltweit für Schlagzeilen.
Schon viel früher hätte die Schweiz ihre Landesgrenze nach Osten erweitern können. Nach dem Ersten Weltkrieg war 1911 die Zukunft von Österreich-Ungarn ungewiss. Das Kronland Vorarlberg erklärte sich nach dem Waffenstillstand für unabhängig: Viele wollten sich der Schweiz anschliessen. Das Gebiet blieb dann aber doch bei der neuen Republik Österreich.
Auch Monteviasco wird wohl bei Italien bleiben. Denn der offene Brief der Dorfbewohner hat bereits Wirkung gezeigt. Die Präfektur Varese jedenfalls kündigte an, bis Ende Jahr eine Geschäftsführung für sieben Seilbahnanlagen auszuschreiben, darunter ist auch die Strecke nach Monteviasco. (dba)