«Gewusst? Lovely frisst die Wiese grüner. Denn Schweizer Kühe wie unsere Lovely sind Teil eines ökologischen Kreislaufs und fördern mit ihrem Grasen das CO2-Bindepotenzial von Schweizer Wiesen. Echt stark.»
Mit diesen Worten wirbt Swissmilk, die Organisation der Schweizer Milchproduzenten, in der aktuellen Kampagne für angeblich klimafreundliche Schweizer Milch. «Haha, noch nie habe ich so was Lächerliches gehört. Wie könnt ihr euch bei solchen Aussagen noch selbst ernst nehmen?», kommentiert Nutzer «Kuh muh Kuh muh» das Werbevideo auf Youtube. Für «irreführend» halten die Kampagne auch ein ETH-Experte und die NGO Pro Natura
Teil eines Kreislaufs
Doch was will Swissmilk mit der Lovely-Kampagne kommunizieren? «Die Kuh ist Teil eines ökologischen Kreislaufs. Das ist das, was wir mit der Kampagne eigentlich sagen wollen», sagt Swissmilk-Sprecher Reto Burkhardt. «Wir wollen die Wirkung der Kuh aufs Klima richtig darstellen.»
Als Teil des ökologischen Kreislaufs förderten Kühe die Biodiversität, pflegten Wiesen und unterstützten den Boden, signalisiert die Kampagne «Lovely und die Wiese». Die Milchkühe lösten mit dem Abweiden und den Tritten auf den Boden einen Wachstumsimpuls bei den Pflanzen aus, so Burkhardt. Und dadurch werde auch das CO₂-Bindepotenzial von Wiesen gefördert, argumentiert er.
Dennoch verantworten Milchkühe 3,8 Prozent des Schweizer CO2-Ausstosses. Burkhardt findet aber, man tue Lovely unrecht, wenn man sie nur als CO2-Emitterin darstelle. Für ihn muss die Schweizer Kuh, für die Lovely stellvertretend steht, als Teil eines Kreislaufs betrachtet werden, in dem Kohlenstoff auch wieder gebunden wird durch die Fotosynthese der Pflanzen.
Nicht die ganze Wahrheit
Grasende Kühe sollen dafür sorgen, dass Schweizer Wiesen mehr Kohlenstoffdioxid (CO₂) speichern können. «Das stimmt zwar, ist aber nur drei Prozent der Wahrheit», schreibt ETH-Klima-Experte Cyrill Brunner (35) auf seinem Twitter-Account.
Selbst wenn das gesamte auf Schweizer Weiden gebundene CO₂ auf weidende Kühe zurückzuführen wäre, verursachten Milch- und Fleischkühe immer noch erhebliche Nettoemissionen, erklärt der Klimaphysiker. Nämlich rund sieben Prozent der jährlichen Schweizer Treibhausgasemissionen. «Methanemissionen sind ein Hauptbestandteil davon.»
Und Methan schadet dem Klima erheblich – das sagt sogar Anita Idel in ihrem Buch «Die Kuh ist kein Klimakiller!», auf das sich Swissmilk in der Kampagne stützt. Denn nur wenn tatsächlich alle Kühe in der Schweiz stets auf naturnahen Weiden grasen könnten, sähe die Klimabilanz tatsächlich besser aus. 88 Prozent der Kühe dürfen zwar regelmässig raus, an den restlichen Tagen des Jahres fressen sie aber nicht nur frisches Gras auf der Wiese – und dann geht die Rechnung fürs Klima nicht auf.
Gülle schadet der Biodiversität
Auch Pro Natura ist die Kampagne ein Dorn im Auge. In einer Beschwerde, die sie bei der Lauterkeitskommission eingereicht hat, beanstandet die Naturschutzorganisation insbesondere die Aussage, die Schweizer Milchwirtschaft fördere die Biodiversität. 2017 wurde Swissmilk bereits von einer anderen NGO verklagt.
Damit verkauft man das Publikum aus Sicht von Pro Natura für dumm. Zwar können Kühe tatsächlich zu einem «artenreichen Lebensraummosaik» beitragen, wenn sie nachhaltig gehalten werden, aber «in Wirklichkeit schädigt die heute in der Schweiz praktizierte intensive Milchproduktion eindeutig die Biodiversität!», analysiert Marcel Liner, Landwirtschaftsexperte von Pro Natura. Denn diese Grünflächen seien stark mit Kunstdünger und Gülle belastet.
Swissmilk bediene sich eines irreführenden Tricks: Man betrachte bloss eine einzelne weidende Kuh und konstruiere daraus Aussagen, die aus dieser beschränkten Perspektive «nicht falsch» sind. 14 Prozent der Schweizer Milchkühe sehen gemäss Pro Natura während ihrer Produktionszeit nämlich überhaupt nie eine Weide.